Zur Geschichte von Bruttig-Fankel
Auszug aus der Festschrift zur 1100-Jahr-Feier
Bruttig-Fankel an der Mosel - ein Weinort mit Geschichte
Es begann vor 1100 Jahren
Am Pfingstfest, dem 4. Juni des Jahres 898 ist der Weinort Bruttig
offiziell in die Geschichte eingetreten. Unter diesem Datum erscheint die erste
urkundliche Erwähnung unseres Dorfes Pruteca
im Mayengau in einer Schenkungsurkunde des lothringischen Königs Zwentibold zu Gunsten des reichsunmittelbaren,
freiadligen Frauenklosters in Essen.
Wie aus dem Stammbaum der Karolinger zu ersehen ist, war Zwentibold als Halbbruder von Ludwig dem Kind einer der letzten Herrscher dieses Hauses.
Arnulf von
Kärnten hatte sich unter
den Enkeln Ludwigs des Deutschen in den
Auseinandersetzungen um die Reichsmacht durchgesetzt und errang nach seinem zweiten
italienischen Feldzug 896 in Rom schließlich auch die Kaiserwürde.
Schon im Jahr 889 hatte Arnulf mit Zustimmung der Großen des Reiches
seine beiden nichtehelichen Söhne Zwentibold
und Ratold als erbberechtigte Nachfolger
bestimmt für den Fall, daß seine Ehe söhnelos bleiben sollte. Mit der Geburt seines
Sohnes Ludwig im Jahr 893 war diese Verfügung jedoch gegenstandslos
geworden.
Er entschädigte Zwentibold damit, daß er ihm noch im gleichen
Jahr die Ehrenzeichen eines Teilkönigs von
Lothringen verlieh, und die Reichsständeversammlung zu Worms übertrug ihm auf
Vorschlag seines Vaters Arnulf im Jahre 896 das Land zwischen Mosel und
Maas sowie einige Gebiete auf der rechten Rheinseite zu seinem Herrschaftsgebiet. Er
berief nach seiner Krönung den Bischof von Trier zu seinem Erzkanzler und den Bischof von
Köln zu seinem Erzkaplan. Durch großzügige Schenkungen von Königsland und Vergabe von
Privilegien wie Markt und Zoll an Klöster und Abteien im jeweiligen Herrschaftsgebiet der
beiden Bischöfe, die ja neben ihrem geistlichen Amt auch weltliche Fürsten waren,
versuchte Zwentibold seine Königsmacht
abzusichern.
In diesem Zusammenhang muß auch die
Schenkungsurkunde vom Pfingstfest 898
gesehen werden. Neben zahlreichen Besitzungen im Raume Köln und Bergheim überträgt der
König dem Kloster in Essen: ...in pago
magnensi in villa pruteca terra arabilis cum curtile et vineis... (...im
Mayengau, im Dorfe Bruttig einen Hof mit zugehöriger pflügbarer Erde und Weinbergen...).
Dieses Frauenstift war 852 vom
Hildesheimer Bischof Altfried, der auch ein
großer Staatsmann und Hauptberater von König Ludwig dem Deutschen war, gegründet
worden. Es war nur dem Reich unterstellt und den Töchtern aus dem Hochadel vorbehalten.
Als erste Äbtissin hatte Altfried seine
Schwester Gerswida eingesetzt.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, daß der König im Jahre 898 dem
Trierer Erzbischof Ratbod eine Urkunde
ausstellte in der festgeschrieben war, daß der gesamte kirchliche Besitz an Klöstern,
Kirchen, Höfen, Ländereien und den dazugehörenden Familien sowie allem, was die
fränkischen Könige und andere Wohltäter der Trierer Kirche geschenkt hatten, von der
weltlichen Gerichtsbarkeit ausgenommen war. Der Erzbischof und seine Nachfolger waren von
da an die obersten Gerichtsherren in ihrem Gebiet.
Alle diese Rechte wurden 947 von Kaiser Otto I. bestätigt. Als besonderer Grund
für diese Begünstigung gab der Kaiser unter anderem an: ...weil Trier die älteste Kirche unseres (d.h.:
des deutschen) Reiches ist.
Trotz all seiner Bemühungen gelang
es Zwentibold nicht, die zahlreichen
Adelsfamilien in seinem Herrschaftsgebiet für sich zu gewinnen. Zu groß waren die
Eigeninteressen und Herrschaftsansprüche der führenden Geschlechter und so kam es im
Dezember 899 zum offenen Aufstand gegen ihn. Beim Versuch, diesen gewaltsam
niederzuschlagen, fiel Zwentibold am
13.8.900 an der Maas.
Wenn wir nun die Bruttiger Schenkung
näher betrachten wollen, müssen wir leider feststellen, daß bis heute keine weiteren
Urkunden darüber gefunden worden sind. Wir wissen nicht, ob und wie lange das Essener
Kloster den Hof in Bruttig bewirtschaftet hat. Ebensowenig ist es uns möglich, den
Standort des damaligen Hofes näher zu bestimmen. Was wir aber aus dieser
Schenkungsurkunde zweifelsfrei entnehmen können ist die Tatsache, daß unser Ort Bruttig
wahrscheinlich sogar älter als 1100 Jahre ist, denn sonst hätte die Urkunde nicht von
einem (schon bestehenden) Hof mit zugehörigem Ackerland und Weinbergen berichten können.
Die Frühgeschichte unseres Ortes
Zeittafel der Geschichtsepochen:
ältere
Steinzeit: |
30 000 |
bis |
10 000 |
vor Christus |
mittlere
Steinzeit: |
10 000 |
bis |
5 000 |
vor Christus |
jüngere
Steinzeit: |
5 000 |
bis |
1 800 |
vor Christus |
Bronzezeit: |
1 800 |
bis |
1 000 |
vor Christus |
Eisenzeit: |
1 000 |
bis |
50 |
vor Christus |
Römerzeit: |
50 |
vor
bis |
400 |
nach Christus |
Die ältesten Zeugnisse von der
Besiedlung in unserem Ort sind wohl die sehr gut erhaltenen Hügelgräber auf dem
Bruttig-Fankeler Berg entlang des Rennweges. Nach Aussage von Dr. Wegner vom Landesamt
für Denkmalpflege in Koblenz, stammen diese Gräber teilweise noch aus der Bronzezeit.
Im Distrikt Wolfskaul überquert eine alte Landwehr den Rennweg. Wall und Graben sind auf eine größere
Strecke hin gut zu erkennen. Diese Landwehr befindet sich an der schmalsten Stelle des
Höhenrückens. Das links und rechts abfallende Gelände war als natürliches Hindernis in
Verbindung mit der Landwehr der beste Schutz vor kriegerischen Überfällen. Der Rennweg selbst ist ein Teilstück der
Verbindungsstraße zwischen der vorrömischen Heerstraße Trier-Neuwieder Becken und
Trier-Koblenz bzw. Bingen.
Auf Anregung des Landesamtes für
Denkmalpflege hat der Gemeinderat von Bruttig-Fankel im vergangenen Jahr einstimmig
beschlossen, den Rennweg als archäologischen Wanderweg auszubauen. Dabei ist vorgesehen,
die Hügelgräber etwas freizustellen, die Zuwegung zu den einzelnen Gräbern herzurichten
und an geeigneten Stellen Informationstafeln aufzustellen mit zeichnerischen Darstellungen
der Grabbefunde, Bestattungsart, Grabbeigaben etc. Bei der Landwehr ist daran gedacht, das
Grabensystem auf einer Teilstrecke wiederherzurichten und mit der ursprünglichen
Bepflanzung zu versehen. Es handelt sich dabei um dicht gewachsene und miteinander
verflochtene dornige Hecken. Damit könnte die Undurchdringlichkeit und der
Abwehrcharakter dieser alten Verteidigungsanlage anschaulich demonstriert werden.
Interessant ist auch das
Hohlwegesystem, das vom Moseltal heraufkommt
und vom Rennweg mit aufgenommen wird. An dieser Stelle soll ebenfalls eine Schautafel
aufgestellt werden, auf der diese mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wege sowie das
Transportwesen und die Handelsverbindungen aus jener Zeit dokumentiert wird.
Von der Erschließung dieses
archäologischen Wanderweges profitiert die Bevölkerung unseres Ortes nicht nur dadurch,
daß Heimatgeschichte für uns noch mehr anschaulich und erlebbar wird, sondern auch durch
die Möglichkeit, daß so ein Vorzeigeobjekt ein zusätzlicher Magnet für den Tourismus
sein könnte. Das gilt besonders für die Gäste, die ihren Urlaub aktiv durch
Spaziergänge, Wanderungen und Radtouren naturnah erleben wollen. Dem Landesamt für
Denkmalpflege, das die Gemeinde zu diesem Vorhaben angeregt hat und die Maßnahmen
wissenschaftlich begleitet und tatkräftig unterstützt, sei an dieser Stelle ganz
herzlich für sein Engagement gedankt.
Wer waren nun diese Menschen, die in
grauer Vorzeit hier bei uns siedelten? Während der Altsteinzeit scheint unsere Gegend
noch wenig bewohnt gewesen zu sein. Nur eine Wohnstätte aus dieser Zeit ist in unserem
Kreis bekannt. Es ist die Höhle der Falkenlay
bei Kennfus. Gräber und Tonscherben aus der Jungsteinzeit sind aus Müden bekannt, und in
Lieg, im vorderen Hunsrück, fand man zwei Steinbeile aus der gleichen Epoche.
Aus der Bronzezeit stammt das große Hügelgräberfeld am Rennweg auf der Freiheit.
Noch 1950 war der größte Grabhügel weithin sichtbar, wie auf der Abbildung im Jahrbuch
für den Kreis Cochem aus dem gleichen Jahr gut zu erkennen ist. Zu diesem Gräberfeld
schreibt Dr. Wegner vom Landesamt für archäologische Denkmalpflege in Koblenz:
Im Gelände nur noch als einzelner, flacher Grabhügel
erkennbar ist der Rest eines ehemals wesentlich größeren Grabhügelfeldes vermutlich der
ausgehenden Spätbronze- und beginnenden Eisenzeit (11. Jh. - 8. Jh. v.Chr.). Durch
intensive landwirtschaftliche Nutzung sind im Laufe der Zeit diese Grabhügel nahezu
vollständig abgetragen und eingeebnet worden. Ursprünglich hatten die Grabhügel einen
Durchmesser von etwa 12m - 16m und eine entsprechende Höhe von bis zu 1,5m. Einzelne
Hügel dieser Zeit erreichen auch einen Durchmesser von bis zu 30m und eine Höhe von 2m.
Bronzezeitliche Grabhügel waren
häufig ausgestattet mit einem Steinkranz, der den Fuß des Hügels umzog und den Hügel
begrenzte. Von der bisweilen auch als Trockenmauer aufgesetzten, niedrigen Hügelumfassung
ist indessen hier nichts mehr erhalten. Die Grabhügel enthielten in der Regel
Einzelbestattungen, die im Zentrum des Hügels niedergelegt waren. Sie waren häufig durch
eine Grabkammer aus Feldsteinen oder Holzbalken geschützt.
Die datierenden Hinweise sind
überwiegend aus den spärlichen Grabbeigaben dieser Zeit zu entnehmen und als
Oberflächenfunde aus den eingeebneten Grabhügeln aufgelesen worden. Während die
Spätbronzezeit insbesondere in Norddeutschland und Nordeuropa gut ausgeprägt ist, gehen
wesentliche Einflüsse und Impulse für unsere Region im nördlichen Mittelrheingebiet
während dieser Stufe hauptsächlich von den süddeutschen und den westeuropäischen
Kulturgruppierungen dieser Zeit aus.
So ist auch das einheitliche
Totenritual charakteristisch, das die Körperbestattung unter einem Grabhügel vorsieht.
Der Tote erhält je nach Geschlecht Waffen bzw. Bronzeschmuck mit in das Grab. Dolch, Beil
oder Lanze und Schwert werden üblich. Aber auch Nadel, sowie Arm- und Beinschmuck sind
typisch. Durchbrochene, scheibenförmige Bronzeanhänger werden an Kettchen oder
gewundenem Draht getragen. Sie sind aber selten. Die Grabausstattung ist unterschiedlich.
Neben einfachen Gräbern treffen wir in dieser Zeit auch auf reichere Bestattungen, die
auf eine höhergestellte Adelsschicht schließen läßt.
Im Rhein-Moselgebiet bildet sich als
Regionalgruppierung die sogenannte Mittelrheinische Gruppe heraus, die zur
beginnenden Eisenzeit in Hunsrück und Eifel als Laufelder Gruppe ihre eigene
Ausprägung zeigt.
Die anderen, schon erwähnten
Hügelgräber, sind der Eisenzeit zuzuordnen.
Aus dieser Zeit wissen wir mit Sicherheit, daß spätestens im 6. Jahrhundert vor Christus
die Kelten die vorherrschende Bevölkerung war. Deshalb nennt man diese Gräber auch Keltengräber.
Das Volk der Kelten bestand aus
indogermanischen Stämmen und beherrschte im Altertum große Teile Europas, hauptsächlich
nördlich der Alpen. Neben den Römern bildete es die zweite Hochkultur der damaligen Zeit
in Mitteleuropa. Sie war stark geprägt und durchdrungen von griechischen Einflüssen.
Insgesamt gesehen ist der heutige Wissensstand von den Siedlungs- und Lebensgewohnheiten
der Kelten allerdings noch sehr lückenhaft und zum Teil auch widersprüchlich.
So nimmt man einerseits an, daß die
Höhenlagen der Moselberge, sowie Eifel und Hunsrück bevorzugte Siedlungsgebiete waren
und verweist mit Recht auf die Gräber, Wege und Verteidigungsanlagen auf den
Höhenzügen. Ganz besonders scheint die ehemalige keltische Tempelanlage auf dem Martberg bei Pommern darauf hinzuweisen. Aber
andererseits deutet auch vieles darauf hin, daß schon die Kelten den Weinbau an der Mosel
betrieben, bevor die Römer in unser Land kamen. Schließlich ist in den unteren
Flurterassen (der Mark) das Klima milder, der Anschwemmboden fruchtbarer und
das Obst viel früher reif als in der Eifel oder auf dem Hunsrück. Ferner ist nicht
einzusehen, warum man auf der Höhe das lebensnotwendige Wasser aus tiefen Brunnen
fördern sollte, wo es in 1-2 km Entfernung im Tal immer und in jeder Menge für Mensch
und Vieh zur Verfügung stand.
Ein weiterer Hinweis darauf, daß
unser Ort bereits eine keltische Siedlung war, ergibt sich aus dem Namen Bruttig selbst. Die Sprachforscher leiten den
heutigen Namen ab vom keltischen Bruti-acum
(d.h.: Wohnung des Brut) über das lateinische Proteca
(898 n.Chr.), Prodecha (1250 n.Chr.) zum
heutigen Pruttig / Bruttig.
Die Siedlung als solche darf man sich
jedoch nicht im Sinne des heutigen Dorfes vorstellen. Die Kelten siedelten in Form von
Einzelgehöften inmitten oder in unmittelbarer Nähe ihres Besitzes. Die Frage, ob diese
Siedlungen nun im Tal oder auf der Höhe stattfanden, muß wohl in der Weise beantwortet
werden, daß wahrscheinlich damals wie heute beides nebeneinander existierte.
Es bleibt dann nur die Frage, warum
man im Moseltal keine Zeugnisse aus der Keltenzeit findet. Das könnte wohl damit
zusammenhängen, daß die wenigen in Frage kommenden Acker-, Garten- und Weinbauflächen
in den letzten 2000 Jahren viel intensiver gerodet und rigolt wurden, als das bei reinem
Ackerland üblich ist und somit eventuelle Spuren aus dieser Zeit vernichtet wurden.
Weiter ist zu bedenken, daß zur
damaligen Zeit die Ufer der Mosel viel flacher und tiefer lagen, als wir sie heute kennen.
So hat man zum Beispiel in Karden an Hand der vorgefundenen Kulturschichten festgestellt,
daß vor 2000 Jahren das Ufergelände etwa 4 m tiefer lag. Durch nachrutschendes Gelände
befinden sich daher die Zeugnisse jener Zeit in Tiefen, die sich nur durch gezielte Suche
erschließen lassen.
Der Übergang in die römische Zeit
Seit den Jahren um 300 v.Chr.
wurden die Kelten immer wieder durch germanische Stämme von Norden her angegriffen und
verdrängt. Das Reich der Kelten verlor an Bedeutung und als Julius Cäsar 58-51 v.Chr.
das Rheinland für Rom eroberte, fand er in unserem Raum eine keltisch/germanisch
Bevölkerung vor, die sich Treverer nannten
und sich zu den germanischen Stämmen rechneten. Auch diese Zeit hat in unserem Ort
greifbare Spuren hinterlassen, wie die nachfolgend beschriebenen Funde überzeugend
belegen.
Eine Siedlung aus römischer Zeit
befand sich im Distrikt Wertchen, dem
erweiterten Quellgebiet des Kabeiner Baches. An dieser Stelle fand man um die
Jahrhundertwende umfangreiche Mauerreste einer römischen Villa, sowie einen Fußboden aus roten Platten. Ferner
fand man an dieser Stelle die Reste eines Schwertes oder Dolches, römische Münzen, ein
dolchartiges Messer und in einem zerbrochenen Topf einen hellen, durchsichtigen Gegenstand
von etwa 300 g Gewicht. Er war eiförmig, hatte jedoch zugeschliffene Kanten (Facetten)
und ließ sich nicht ritzen. Es handelte sich möglicherweise um einen Anhänger aus
Bergkristall. Leider ist der größte Teil der Siedlungsstelle durch den Ackerbau
zerstört worden. Es wäre dringend erforderlich, die noch vorhandene kleine Fläche jetzt
zu schützen, bevor dieses Boden- und Kulturdenkmal für immer verloren geht.
Im Jahr 1917, beim Bau der geplanten
rechtsufrigen Moselbahn, wurden in der Nähe des Tunneleinganges auf der Treiser Seite
Reste einer römischen Ansiedlung mit Gebäuden und Gräbern angeschnitten. Ferner
wurden Pfahlroste aus der zweiten Hälfte des 2.
Jahrhunderts freigelegt, die vermuten ließen, daß an dieser Stelle eine Brücke über
die Mosel führte. Lehrer Fröhlich aus
Karden berichtete im Jahrbuch für den Kreis Cochem
von 1950 darüber. Diese Vermutung hat sich allerdings nicht bestätigt, da beim späteren
Moselausbau keine weiteren Funde gemacht wurden, die auf das Vorhandensein einer Brücke
hingedeutet hätten. Es ist wohl eher anzunehmen, daß diese Holzpfählungen einem
Moselübergang in Form von Anlegestellen für Schiffe oder einer Fähre gedient haben. Von
hier aus führte auch der Verbindungsweg durch den Distrikt Herrenwäldchen und Pommerheck zu dem schon erwähnten Rennweg.
Im Hof des Klosters Engelport steht
ein Steinsarg, der in den Jahren um 1925 bei
Rodungsarbeiten in den klostereigenen Weinbergen in der Gemarkung Bruttig gefunden wurde.
Leider gibt es keine weiteren Berichte über die näheren Umstände und den genauen
Fundort. Möglicherweise stammt dieser Steinsarg ebenfalls aus römischer Zeit.
Ganz sicher aus jener Zeit war
dagegen die Ruine eines römischen Badehauses, die
gegenüber Fankel am Fuß der Weinberge im Distrikt Kahl (Kälchen) stand und 1833 beim
Bau der Bundestraße 49 abgerissen wurde. Die Gegenstände, die man dort noch fand, kamen
in das damals königlich-preußische Gymnasium, das heutige Görres-Gymnasium in Koblenz.
Im Jahresbericht von 1835 ist unter dem Eintrag vom 20. Februar vermerkt:
...Es wurde uns eine kleine Doppelfigur
von Amor und Psyche und ein kleines Soldatenbeilchen überlassen, welches vor einiger Zeit
gegenüber dem Dorfe Fankel gefunden wurde...
Nachdem die Römer unser Gebiet
erobert hatten, bauten sie die alten, vorgeschichtlichen Fernverbindungen zu besseren
Wegen aus und legten auch neue an, um in ihrem riesigen Reich sowohl Truppenbewegungen und
Nachschub der Soldaten, als auch Reise und Handel schneller abwickeln zu können. Auch die
Mosel wurde als Reise- und Transportweg genutzt.
An geeigneten Stellen wurden
Gutshöfe angelegt, um die Versorgung der römischen Verwaltung und des Militärs zu
gewährleisten. Die bäuerliche Bevölkerung wohnte in der Nähe dieser Gutshöfe. Dörfer
im heutigen Sinn hat es damals sicher nicht gegeben. Außer den Soldaten,
Verwaltungsbeamten und Kaufleuten nahmen nur wenige Römer in den eroberten Gebieten ihren
Wohnsitz. Nur langgediente Soldaten und Beamte, die sich sehr um den römischen Staat
verdient gemacht hatten, wurden oft mit Landbesitz in diesen Gebieten belohnt. Eine
Kolonisation im eigentlichen Sinne hat es daher auch nicht gegeben.
Für den Moselweinbau bedeutet dies,
daß er schon vor den Römern hier heimisch gewesen sein muß. Wie sonst hätte er in der
relativ kurzen Zeit diese einheitliche Art und lückenlose Ausdehnung des Anbaus erfahren
können, die der Dichter Ausonius (310-395)
in seiner Mosella besingt? Unzweifelhaft ist
allerdings, daß die römische Kultur einen starken Einfluß auf die gesamte Weinkultur an
der Mosel ausgeübt und das Vorhandene weiter verfeinert hat. Die Annahme des
vorrömischen Weinanbaus wird auch dadurch bestärkt, daß man gegen Ende des
1.Jahrhunderts den Weinanbau in den von Rom besetzten Provinzen behinderte (Edikt von Kaiser Domitian). Erst 279 wurde der Weinbau an
der Mosel durch Kaiser Probus wieder
erlaubt.
Auf Dauer gelang es den Römern
nicht, das Land zu befrieden. Immer wieder mußten sie sich gegen einfallende germanische
Stammesverbindungen verteidigen. Diese nannten sich, im Gegensatz zu den Stämmen in den
besetzten Gebieten, Franken (d.h.: die
Freien). Im großen Frankensturm von 275-276 zerstörten sie 60 Ortschaften und Städte,
darunter auch das reiche Trier. Weitere Überfälle folgten und so mußte Rom den Rhein
406/407 als Grenze wieder aufgeben. In der Folgezeit kam es zu einem ungehinderten Zuzug
der Franken in das Rhein- und Moselgebiet und zu einer Verdrängung der römischen
Oberschicht.
Vieles was noch nicht zerstört war,
fiel dann den Hunnen zum Opfer. Diese, aus der weiten Steppe
Asiens kommend, brachen wie ein Orkan über Westeuropa herein und stießen bis nach
Orleans im heutigen Frankreich vor. Im Jahr 451 überquerten sie den Rhein und kamen dabei
auch in unsere Gegend. Im Jahr 476 zerbrach das römische Weltreich, durch innere
Zerüttung und äußere Feinde geschwächt, dann endgültig.
Die Merowingerzeit
Die Franken, die in unserer Gegend
einwanderten, legten neue Siedlungen in Flußnähe und eigene Begräbnisplätze an. Auch
sie hinterließen, wie vorher schon die Römer, Zeugnisse ihrer Anwesenheit in unserem
Ort.
In Fankel fand man 1935 im Bereich der heutigen Moselstraße mehrere,
in Reihen liegende Skelette.
Im November 1977 wurden bei
Planierungsarbeiten im Rahmen der Flurbereinigung oberhalb von Fankel, an der Straße nach
Beilstein, mehrere Gräber entdeckt, die unregelmäßig angeordnet und ohne Beigaben
waren.
Etwa 80m davon entfernt, im Distrikt Oberstaat, wurde zur gleichen Zeit eine ganze
Anzahl Gräber freigelegt, die regelmäßig, mit einem Seitenabstand von durchschnittlich
2m lagen. Die Grabgruben hatten eine Ausdehnung von etwa 2m ´ 1m und eine Tiefe von 0,6m. In
sieben Gräbern waren die Skelette noch gut erhalten. Die Gräber waren angeblich nach
Westen orientiert und sollen Langschwerter, Dolche und eine Spange aus Bronze enthalten
haben. Zwei Grabstellen waren Steinplattengräber,
die ohne Beigaben waren.
Hinzu kommt noch ein zweischneidiges
Messer (Sax) als Einzelfund und ein
sogenannter Knickwandbecher, der vermutlich
aus einem Grab stammt. Dieser Becher, der 1974 auf dem Töllen gefunden wurde, wird als tongrundig und
rauhwandig beschrieben, die Oberfläche ist beige mit grauen Flecken. Er ist 8,5 cm hoch,
hat einen Durchmesser von 10,9 cm und ist noch ganz erhalten. Alle genannten Gegenstände
stammen mit Sicherheit aus der Zeit zwischen 500
und 800 und befinden sich heute im
Privatbesitz der Finder.
Nach dem Untergang des römischen
Weltreiches hatte sich Chlodwig I. (482 - 511) von den salischen Franken unter den
germanischen Stämmen durchgesetzt und erhob das fränkische Königreich zur führenden
Macht in Westeuropa. Er war ein Nachkomme von Merowech,
daher der Name Merowinger.
Nach der Machtübernahme durch die
Franken wurde der Grund und Boden der eroberten Gebiete neu verteilt. Die festen
Siedlungen mit Ackerland, Weinbergen und den großen Wälder wurden Königsland, den Rest
verteilte der König auf seine Heerführer und Mannen je nach Rang und Verdienst. Auch in
unserem Ort muß ein großer Teil der Gemarkung Königsland gewesen sein, denn sonst
hätte es Zwentibold später nicht an das
Klosterstift verschenken können. An zentralen Stellen wurden Königspfalzen errichtet, sie dienten als
Aufenthaltsort für die königliche Familie während deren Reisen durch das Reich.
Von der kelto-romanischen
Bevölkerung, die hier geblieben war, übernahmen die neuen Herren auch den Weinbau, der
ihnen bis dahin fremd war. Nachdem sich ihr König Chlodwig
I. im Jahr 496 hatte taufen lassen,
traten auch die Franken zum Christentum über. Die Könige der Merowinger standen bald in
einem sehr engen Verhältnis zur Religion und zur Kirche, und so kam es schon sehr früh
immer wieder zu großzügigen Schenkungen von Grundbesitz, Zoll- oder Nutzungsrecht an
Bischofskirchen und Abteien.
Die Karolingerzeit
Mit dem Übergang der Königswürde
auf Karl den Großen und seiner Krönung zum
Kaiser des Heiligen römischen Reiches durch den Papst wurde die Bindung zwischen Kirche
und Staat noch enger. So wurde das Zehntrecht, welches sein Großvater Karl Martell schon teilweise eingeführt hatte,
zugunsten der Kirche neu geregelt und für das ganze Reich festgeschrieben. Auch das schon
bestehende Lehnswesen weitete sich immer mehr aus.
Die Gesamtheit aller Lehnsherren und
Lehnsnehmer glich im Aufbau einer Pyramide. Ihre Spitze bildete der König als oberster
Lehnsherr. Dann folgten unter ihm die großen weltlichen und geistlichen Vasallen des
Reiches, die Herzöge, Markgrafen und Grafen sowie die Bischöfe und Äbte. Diese wiederum
gaben ihr unmittelbar vom König erhaltenes Lehen teilweise als Unterlehen an den niederen
Adel (Ritterstand) weiter. Von diesen lehnten (pachteten) die einfachen Bürger dann
wieder Wiesen, Äcker und Weinberge etc.
In der Hauptsache bestanden die Lehen
der Feudalherren allerdings in Nutzungsrechten an Wald, Wiesen, Äckern, Weinbergen,
Fischerei und Jagd sowie aller Einnahmen aus dem Gerichtswesen, wie zum Beispiel Gebühren
beim Grundstücksverkehr, Erbsachen, Gerichtskosten und Bußgeldern. So war das Lehnswesen
eine tief in die Bevölkerung hinabreichende Kette, welche hoch und niedrig, Weltliche und
Geistliche miteinander verband.
Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich
auch die rechtliche Stellung der einheimischen Bevölkerung stark verändert. In den
Zeiten der Eroberung durch die Römer und auch bei der Landnahme durch die Franken war der
Einzelne wohl nur ein Leibeigener der jeweiligen Herrschaft und wurde auch, wie Inventar,
mit dem Hof verkauft und verschenkt. Um die Jahrtausendwende und in den ersten
Jahrhunderten danach war das schon anders. Auch der einfache Bürger hatte etwas eigenen
Grundbesitz und was ihm zum Lebensunterhalt fehlte, konnte er von den weltlichen und
geistlichen Herren dazupachten.
Ganz besonders wichtig war der
Grundbesitz der Gemeinde. Im Rahmen der Fürsorge für die Bürger konnte sie bei
steigendem Bedarf immer wieder Waldflächen zur Rodung freigeben und an sie verkaufen oder
aber ihnen diese gegen geringe Gebühr als Bürgerteile zur Verfügung stellen. Dieser
private Grundbesitz und die frühen Formen von kommunaler Selbstverwaltung innerhalb des
Feudalsystems beschleunigten wohl die Entwicklung hin zu einer halbfreien
Gesellschaft.
Grundbesitzer in Bruttig nach der
Jahrtausendwende
Nachfolgend ist nur eine kurze
Auflistung gegeben, eine umfassende, wissenschaftliche Auswertung der genaue
Besitzverhältnisse aus dieser Zeit fehlt leider bis auf den heutigen Tag.
Ob das schon erwähnte Kloster in Essen seinen Besitz in Bruttig noch
hatte, ist nicht bekannt.
Die Abtei Springiersbach erwirbt 1120 - 1162
Grundbesitz.
Das Stift St. Kunibert in Köln verkauft 1252 seine
Güter in Bruttig an die Abtei Himmerod, die hier schon Güter hatte.
St.
Pantaleon in Köln besaß
seit dem 13. Jahrhundert einen Hof und hat ihn bis zur Säkularisation bewirtschaftet. Das
Hofhaus stand in der Herrenstraße.
Die Gemeinde verkauft dem Kloster Maria Engelport 1315 den
Bar-Berg. Dr.Norbert Pies hat dankenswerterweise zur Geschichte des Klosters
Engelport ein eigenes Büchlein herausgegeben: Bruttig-Fankel
und Kloster Maria Engelport. Ein Beitrag zur 1100-Jahrfeier der Gemeinde.
Als weitere Grundeigentümer sind zu
nennen: Die Abtei Siegburg, die Klöster und
Stifte Rosenthal, Stuben, St. Kastor in
Karden und St. Florin zu Koblenz.
An Adelsbesitz ist u.a. nachzuweisen:
Der Markgraf von Baden, die Grafen von
Virneburg, die Herren von Ulmen, Arras,
Isenburg und die Grafen zu Eltz. Der
Flurname Auf dem Krein deutet auch auf
Besitzungen der Gryn von Treis hin.
Grundherrschaft und Rechtswesen
Das Gebiet um Cochem und damit auch
unser Ort war um die Jahrtausendwende in der Hand der Pfalzgrafen bei Rhein. Diese belehnten nun andere
Adelsfamilien mit der Grundherrschaft und der Vogtei einzelner Orte, die, wie schon
erwähnt, mit den entsprechenden Einnahmen verbunden waren. 1220 ist das in Fankel Emelrich von Monreal.
1282 streiten die Verwandten Eustach von Monreal und Emelrich von Fankel (Monreal) wegen des Patronatsrechts (das Recht,
einen Pfarrer einzusetzen) in Bruttig. Ersterer verkauft seinen Anteil am Zehnten von
diesem Recht an Emelrich von Fankel. Man kann wohl daraus schließen, daß auch Teile des
Ortes Bruttig zu dem Lehen der Familie von Monreal
gehörte.
Daneben erscheinen aber auch die Ritter von Ulmen und hauptsächlich die Grafen von Sponheim als Vogtherren von Bruttig.
Als dann 1346 Cuno Walpod zu Ulmen seinen Anteil an den Trierer Kurfürst Balduin verkauft, werden die
Verhältnisse immer verworrener und führen zu einem jahrhundertelangen Streit zwischen
dem Erzbischof und den Grafen von Sponheim. Beide Seiten versuchten immer wieder, ihre
Rechte auf Kosten des anderen auszudehnen.
Auch die Verträge, die man in dieser
Angelegenheit 1489 und 1507 geschlossen hatte, konnten daran nicht viel
ändern. Im Vertrag von 1507 hatte Sponheim ganz auf die Ansprüche aus der
Grundherrschaft verzichtet und behielt nur die Vogtei. In normalen Jahren konnten sie
dafür in Bruttig 7 Fuder Bedewein (Wein
als Steuerabgabe) heben, an Fastnacht aus
jedem Haushalt (berauchtes Haus) ein
Huhn (Fastnachtshuhn) und einen Eimer Wein (Rauchwein), sowie im
Herbst etwas Viehfutter. Mit diesem Vertrag war auch ein gemeinsames Gericht gebildet
worden, in dem Schultheiß und Vogt gleichberechtigt zusammen Recht sprechen sollten. Den
Vorsitz hatte man abwechselnd.
Sponheim stellte seinem Vogt 7
Schöffen zur Seite, die aber auf beide Herren vereidigt wurden. Auch diese Regelung
konnte den alten Streit auf Dauer nicht beilegen. Im Gegenteil, die Sponheimer, die zum
Protestantismus übertraten, gingen dazu über, Schöffen von auswärts für das Gericht
in Bruttig zu benennen. So kam es vor, daß protestantische, ortsfremde Schöffen,
darunter auch Söhne von Pfarrern, über katholische trierische Untertanen zu Gericht
saßen. Diesem Treiben konnte der Trierer Bischof nicht tatenlos zusehen und so spitzte
sich die Lage immer mehr zu, so daß im Jahr 1607 ein
Waffengang zwischen Trier und Sponheim unausweichlich schien. Daran hatten auch die
Verhandlungen von 1588 im Rathaus in Bruttig
zwischen dem ...Dr. Grahs sambt anderen
trier[ischen] und spanheimischen Commissarien nichts ändern können.
Im ganzen Amt Baldeneck wurden die
wehrpflichtigen trierischen Untertanen erfaßt und ihre Bewaffnung notiert. In Bruttig und
Fankel waren es 48 Männer. Allen voran Johannes
Krebs, Schultheiß in Fankel (Grabplatte auf dem Fankeler Friedhof). Die Bewaffnung
der Männer ist angegeben mit: Sturmhut (Helm), Seitenwehr, Hellebarde und Schlagschwert.
Zum Glück fand diese
Auseinandersetzung nicht statt, sonst hätten in Bruttig und Fankel möglicherweise
Nachbarn und Verwandte gegeneinander kämpfen müssen. Man einigte sich wieder und 1609 wurde den Sponheimern ein Bauplatz zugewiesen
oben im Dorf beim Schwengelpütz,
sie wollten dort ein eigenes Gerichtshaus bauen. Dieses Haus, das auf so hohen Säulen oder Balken stehen sollte, daß man mit
einem Wagen Heu darunter durchfahren könnte ist wohl nicht gebaut worden.
1784 verzichtete Sponheim auf seine Rechte
am Vogteigericht Bruttig zu Gunsten von Kurtrier.
Im Jahr 1619 baute die Gemeinde am Moselufer ein neues
Rathaus. Dieses große, eindrucksvolle Gebäude mit Turm und Steintreppe im
Hochwasserbereich demonstrierte schon nach außen den relativen Wohlstand des Ortes. Die
Räume im Erdgeschoß wurden von den Schrötern genutzt, die den Faßweintransport aus den
Winzerkellern bis auf die Schiffe bewerkstelligten. Sie waren auch für die Eichung der
Hohlmaße zuständig.
Von 1822 bis zum Neubau der Schule 1906 wurden die Ratssäle als Schule genutzt.
Seitdem steht das Gebäude der Bürgerschaft wieder für die verschiedensten Aufgaben zur
Verfügung.
Das Weistum von 1468
Trotz aller geschilderten
Streitigkeiten waren die Verhältnisse für die Bürger, so weit sie die Pflichten und
Rechte gegenüber ihrer Herrschaft betrafen, in den Jahrhunderten fast gleich geblieben.
Das galt aber auch umgekehrt für die Herrschaft. Damit das so bleiben sollte, wurde
mindestens einmal im Jahr an einem festgelegten Dingtag das
Weistum durchgeführt. Die Forschung
definiert das Weistum als eine Rechtsquelle, die
auf eine dauernde Regelung der Rechtsverhältnisse hinzielt, dem bäuerlichen Lebenskreis
angehört, einen lokalen Geltungsbereich hat und vorwiegend gewohnheitsrechtlichen Inhalts
ist.
Das Weistum vom 10. Oktober 1468 war
maßgebend für die Beurteilung aller späteren Unstimmigkeiten und wurde deshalb immer
wieder herangezogen. Eine Abschrift dieser Urkunde von 1771 wird im Generallandesarchiv
Karlsruhe aufbewahrt, eine Kopie befindet sich im Besitz der Gemeinde. Der genaue Wortlaut
sei an dieser Stelle (in lateinischen Buchstaben und mit einigen Anmerungen versehen)
wiedergegeben:
Copia Copiae Notariats-Instrumenti, über das
Weißthum
zu Prottich die Churtrierische Gerechtigkeit daselbst
betr.
Datum den 10 ten Octbr. 1468
Im
Namen der Heiligen Dryfaltikeit Amen, Kunt sy allen Luiten die diß offennbair Instrument (öffentliches
Dokument) sehent oder hörent lesen das in den
Jairen nach Christi unsers Herrn Gepurt Tusent Vier Hundert und Acht und Sechtzig Jairen
in der ersten Indiction (Monatshälfte) uff
Montag des Zehenten Tages in dem Maende (Monat)
October zu Latino genannt umb ein Ure nachmittage oder daby Pa(p)stumes des allerheiligsten In Gott Vatters und Herren
Herren Pauli von Gotlicher Vorsichtikeit Papsts des zweiten In syens fünften Jaire in
myens offenbaren Notarien und gezugen (hinzugezogenen) hernach geschriebenn gegenwertikeit In bysin der
wirdigen Herren Meister Krydwyß Doctors in beiden Rechten und Cantzlers, und Herrn Johans
von Becheln (Büchel ?) Rentmeisters, und
Matthias von Keselbach Kelner (Verwalter) zu
Cochem, auch anderen Dienere und Fründe (Freunde) unsers gnedigen Herren von Triere auch In
Gegenwertikeit etlicher unsers Herren Hertzug Friderichs Graven zu Spaenheim (Sponheim) Fründe mit Namen Johanns von Wyßenburg seines
Secretarien und Joisten (Juristen) Amptmans zu
Traurbach (Trarbach) die gen Protiche gesant
waren das hernach geschrieben Wyßthum zu hörenn,
Sint
erschienen in demselben Dorff zu Protich Trierschen Bistums Im Spielhuise (Rathaus) die erbaren Luite Heymburgen gesworn (Bürgermeister
und Schöffen) und gantze Gemeynde daselbst da ist
zum ersten durch den egenanten Meister Johan Krüidwyß Cantzler anstadt unsers gnedigen
Herren vonn Triere an denselben Heymburgen gesworn und gantze Gemeynde zu Protich gesonnen
(das Ansinnen gestellt worden) by Irren
(ihren) eyden zu wysen was der obgenant unser
gnediger Herre von Triere und seiner Gnaden Styft Geriecht darzu gehorig habenn, und sie
auch alle Jaire uff Sant Valerius Tag (29. Januar) pflegenn zu wysenn, daruff haint sich Heymburg gesworn
und gantze Gemeynde mit einander ein guit Züt beraiten und darnach gewyst einmondenkklich
(einmütig) unserm gnedigen Herren von Trier
zu Protich und in dem Geriecht darzu gehörig Wasser und Weide den grawen Walt (Hochwald)
und den herkomenden Man (neue, zuziehende
Einwohner), des geben sie unserm gnedigen Herrn von
Triere alle Jaire zu Herbst viere Bürden Wins (Wein) und viere schilling geltz, und deshalben sollent sie
gebruchen Wasser und Weide nach aller Irrer noitturft, daruff hant sie zu einer
underwysunge (Zwischenanweisung) gesaigt, So wie
sie zu einer ziit (Zeit) gerne einen Walt
abgehauwen hetten, das mochten sie nit thun Sunder (ohne) erläupniße unsers gnedigen Herren von Triere zu der
Ziit und gwamen (kamen) deßhalb zu dem
obgenanten unserm gnedigen Herren in den Haim (Sitz des Oberamtes in Zell) Erlaupnisse daruber von Ime zu erwerben und shickten
deßhalben seinen Gnaden ein halb Fuder Wins Vorter so haint sie gewyst unserem gnedigen
Herren eine Jaire Schetzunge (jährliche Steuer)
von Irren gütern zu geben in dem Geriecht zu Protich gelegenn.
Item haint sie gewyst unserm gnedigen Herren zu Triere das Heyle geschreye (Huldigung) den Storm die Volge (Gehorsam in Not- und Kriegszeit) den Ußzug (Wegzug), So ander des Styftz vonn Triere Underthanen unden und oben Ußziehenn den Glockenglancke (zum Dingtag, Begrüßung, etc.)
Item
haint sie gewyst unserm gnedigen Herren von Triere das gejegts und den Wiltpanne (das
Wild und die Jagd) und wanne siner Gnaden Jeger und
Hünde by sie qwemen (kommen), die sollen in
eins Heymburgen Huiß gaen, da sall man geben den Jegeren zu essenn und zu drincken, und
den Hunden Broit und darzu sint verpflicht alle die daselbst Burgere sint und Wasser und
Weide gebruchen. Sie hörenn an wenn sie wollenn (Untertanen verschiedener
Herrschaften), und obe (wenn) die Jegere gesunen (gesonnen waren) Seile und Garn uffwertz zu foeren, das sollen sie thun,
und dieselben Seile und Garne biß zu edegre (Ediger) lieberen (liefern), Weres aber das sie die aberwertz gesunen zu foeren
das soll gescheen biß zu Tryß (Treis) und soll
solichs gescheen mit gemeyner acht,
Darnach
sind sie in obgeschriebener weissen gefraigt wie das unser gnediger Herre von Trier habe
verstanden das vor etlichen Jairen Viere funff oder sechs oder Sieben ungeverlich die
Scheffen des Voigtgeriechts zu Protich etliche Wyßthum gethaen haben der Herrlichkeit und
Oberkeit daselbst berürend, ob sie auch je zu anderen zeiten gehort haben, oder haben
hören sagen das die Scheffenn je zu anderen ziiten darüber oder solichs je gewyst haben,
daruff haben sie sich aber miteinander besprochen und einmondenkklich gesaigt, Sie haben
nie gehoirt, oder horeren sagen das die Scheffenn daselbst je eyniche Herlichkeit oder
Oberkeit oder andere sachen gewyst haben, dann alleine dasjhene das Voigtlich geriecht (Vogtgericht) antreffende und berürende s(e)y gewest und damit gesaigt wie das vor etlichen Jairen
Junher Abrecht (Junker Albrecht) von Berwangen
zu der ziit als die Voigthie den Herren von Spaenheim verfallen war, die Scheffen von
wegen der Voigtherren an dem Pütze zu Protich Inbywesenn etlicher unserrs gnedigen Herren
von Triere zu der ziit was Fründen gesaigt habe, weme sie Wasser und Weide Geboit und
Verboit zuwysen, da wurde zu derselben ziit durch die Scheffenn mit fingern uff die
Gemeynde gedüdet und gesprochen da steent (stünde) Heymburgern gesworn und Gemeynde der gebürt das zu
wysenn uff sant Valerius Tag da habe der obgenant Jungher Abrecht geantwort, Ist das von
Alters also herkomen so laiß ich es auch daby, und haint auch gesaigt, das die Scheffenn
einßteils fünfftzig oder Sechtzig Jaire Scheffenn gewest werenn.
Item
darnach sind sie aber sunderlich gefraigt, als zu den selben ziiten die obgemelten
Scheffen Gebott und Verbott von Voigtherren oder den Graven von Spaenheim zugewyst haen,
ob sie solichs je gehoirt oder haben hören sagen das die Scheffen solichs zu andern
ziiten gewyst haben daruff haint sie sich aber besprochen und einmondenklich gesaigt Sie
haben nie gehoirt oder höreren sagen das die scheffenn zu Protich oder jemandtz anders
den Voigtherren oder den Herren von Spaenheim je zugewyst haben Gebott oder Verbott Vorder
dann an das Voigtlich geriecht lange, als die Scheffen zu derselben ziit gewyst haben den
Herren von Spaenheim Gebott und Verbott da sin etlich von den Gesworen und der Gemeynde
darby gewest die haben zu den Scheffen gesprochen, wir gesteen euch nit das ir oder uwer
Herren eyniche Geboit über uns haben, dann alleine das Voigtgericht berürende, da haint
die Scheffen geantwort, sie haben es auch nit anders gewyst dan an das Voigtlich geriecht
langen.
Item
darnach sint sie gefraigt worden, wene sie zu Protich vor eynen Grunt Herren wysenn, haint
sie sich daruff besprochen und gewyst, Sie wysen unsern gnedigen Herren von Triere vor
eynen rechten Gruntherren zu Protich und niemandtz anders.
Item
so sind sie grfraigt worden weme sie zu Protich zu wysen Gebott und Verbott, haint sie
gesaigt, wann unser gnediger Herre von Triere Ine gepiethe (gebietet) oder durch Amptluite und Kelnere zu Cochme und
Baldeneck gepieten laißen das sie alsdann solichen Gebottenen gehorsam sollen sin.
Item
darnach sint sie gefraigt worden obe sie je geshen oder gehoirt habenn das ein Voigt oder
die Herren von Spaenheim in Proticher Marcken gejaigt haben oder recht haben zu Jagen
daruff haint sie gewyst das gejegtz und den Wiltpanne unserm gnedigen Herren zuwisen und
nimandtz anders, und haben auch nie gehoirt oder hörenn sagenn das ein Voigt oder die
Graven von Spaenheim da gejaigt oder recht zu jagen gehaipt haben.
Item
sint sie gefraigt worden weme sie ihre Brüche (Rechtsbrüche) besseren obe sie die nit zu Cochme und Baldeneck
gebeßert haben und obe sie nit allewege daselbst geen Cochme und Baldeneck zu geriecht
gangen haben, So sie vom Geriechtzbottenn daselbst vorgeheischen sin worden, und obe
dieselben Geriechtzbottenn auch nit zu Protich allewege gepfandt haben, daruff haint sie
aber gewyst ob ein nachpur (Nachbar) zu Protich
mit eyme andern umb Scholt (Schulden) Scheltwortt
(Beleidigung) oder eygenn und erbe (Eigentums-
und Erbangelegenheiten) daselbst zu thun gehaipt
hatt, der habe durch einen Geriechtzbotten zu Cochme oder Baldeneck den laissen an die
Geriecht daselbst vorheischen, und da die sachen vertedingt (verhandelt). Dreff es aber eygen und erbe an, So haben sie moissen
(müssen) Ire buißen betzalen und sy die sachen
gewyst worden an die Geriecht da die guiter gelegen sint, Hette aber ein Nachpur den
andern geslagen oder verwondt (verwundet), das
were zu Cochme oder Baldeneck so ferre Klage davon qweme unserm Herren von Triere oder
sinen Amptluiten von siner Gnaden wegen gebessert was an denselben Geriechten Cochme und
Baldeneck geortelt (geurteilt) und gesprochen sy
worden, darvon haben auch derselben Geriechtzbottenn zu Protich allewege so (sofern) das nit volzogen sy worden an die gereide (?) habe gepfandt.
Item
sint sie aber gefraigt, weme sie die Fischerie in der Moselen zu Protich zu wysen, daruff
haint sie gewyst, Sie wysen unserm gnedigen Herren zu Wasser und Weide, und deßhalb die
Fischerie zu und niemantz anders, und were es das jemandt Legeschiff da hette, oder in dem
yse (Eis) Fische fienge der solt unserm
gnedigen Herren von Triere sine Geriechtickeit davon geben als ir nachpur unden und oben
thun ungeverlich (wie es auch in den Nachbargemeinden gehalten wird) und als diß obgeschriben Wyßthum von Heymbürgen
gesworn und gantzer Gemeynden zu Protich gescheen ist, hait der obgenant Meister Johann
Krydwyß Cantzler in namen unsers gnedigen Herren von Triere an mich Notarien
hernachgeschriben gesonnen und begert siner Gnaden eins oder mer offennbair Instrument so
viel er der noit (notwendig) hett herüber zu
machen, und sint dieße Dinge gescheen an der stadt (an der Stelle) Im Jaire Maende (Monat) und Tage stunde Keiser Zale (Regierungsjahr des
Kaisers) und Baibsthums (Regierungszeit des
Papstes) als sie oben geschrieben steet.
In
bywesenn der Ersamen und Erbaren Herren Johann Graß Pfarrers, Herren Johann Richartz
Frühmessers zu Protich, Herren Johans Wackerpils und Herre Heinrichs von Bideburg
Priester Heinrich Swane Voigt zu Cochme Gerhard Handt, Steffenhennen Wernhers, Scheffenne (Schöffen) und Conraidt Smiedtz Inwonere zu Fanckell Trierscher
Bisthums und su(n)st viel erbarer Luite und
umbstendere zu Gezugen (Zeugen) dießer Sache
sunderlich (besonders) beroiffenn und gebetten
Petrus Monreall de Monasteria Meyfelt
Clericus Treverensis dioc.
Notary in Premissis.
Die jährliche Wiederholung dieser
Weisungen an festgelegten Tagen und die Durchführung in immer der gleichen Form von Frage
und Antwort hatte zur Folge, daß diese von alters her übernommenen Rechte und Pflichten
tief im Bewußtsein der Bevölkerung verankert waren.
Nach der
Besetzung des Rheinlandes durch die französischen Revolutionstruppen 1794 kam auch unser
Gebiet zur französischen Republik. Mit der Auflösung der bestehenden Ordnung sowie der
Einführung einer neu gegliederten Verwaltung und des Rechtswesens, verloren die
Weistümer ihre Bedeutung.
Hauszeichen
Hauszeichen oder Hausmarken findet
man in unserem Ort noch eine große Anzahl an unterschiedlichen Stellen: auf alten
Grabsteinen und Unfallkreuzen, über der Haus- oder Kellertür, als Eigentumszeichen auf
Handwerksgerät oder als Unterschrift auf alten Urkunden, sogar eingeritzt in
Kirchenbänken und der Sakristeitür.
Sie sind wohl hauptsächlich in der
Zeit vor 1600 entstanden, als die
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung noch nicht lesen und schreiben konnte, wurden aber
auch nachher noch lange beibehalten.
Viele der Hauszeichen haben sich aus
einem Kreuz entwickelt, bei dem spätere Generationen jeweils ihre eigenen Zeichen
(Striche, Winkel etc.) anfügten. Bei anderen sind oft die Anfangsbuchstaben der Namen
integriert oder man erkennt den Beruf des Inhabers an seinem Handwerkszeichen. Die Art der
Darstellung von Hauszeichen auf vielen Grabkreuzen und -platten läßt auch vermuten, daß
sie in Anlehnung an die Wappenschilde der Ritter entstanden sind, sozusagen als
Wappen der einfachen Leute.
Nachfolgend sind die in Bruttig noch
erhaltenen Hauszeichen in einer Übersicht zusammengefaßt:
Unser Ort im Wandel
Professor Johann August Klein beschreibt 1831 die bedeutende Ortschaft Bruttig in seinem
Buch Moselthal zwischen Coblenz und Konz
folgendermaßen:
Ansehnliche Gebäude mit antiken Steingiebeln schauen hinter einer doppelten
Reihe von Walnußbäumen hervor. Der
still vorüberwallende Fluß, von zahlreichen Kähnen durchfurcht, erhebt die Ansicht. Dem
Baustyle mehrerer Ufergebäude und den Verzierungen ihrer Vorderseite sieht man es gleich
an, daß sie in einer Zeit entstanden, in welcher hier großer Wohlstand und lebhafter
Verkehr herrschten.
Treffender könnte man auch heute
nicht die Moselansicht unseres Dorfes beschreiben. Das wuchtige Rathaus von 1619 mit
seinem runden Treppenturm, die Fachwerkhäuser und ganz besonders das Schunk´sche Haus prägen seit einigen Hundert
Jahren dieses Panorama.
Erbauer dieses prachtvollen Hauses
waren die Eheleute Paulus Pauli von Bremm
und Anna Elisabeth Dederichs aus Bruttig. Er
war kurtrierischer Schultheiß, Winzer und Kaufmann. Die meisten seiner Geschäfte
tätigte er in Koblenz und Köln. Um 1800 kam es in den Besitz der Familie Schunk, von der
das Haus seinen Namen hat.
Die heutigen Besitzer, die
Juweliersfamilie Müller aus Cochem, haben
in den letzten Jahren mit hohem finanziellen Aufwand das Haus wieder zu dem gemacht, was
es von Anfang an einmal war: eines der schönsten Häuser an der Mosel und ein
Schmuckstück für unseren Ort.
Die Walnußbäume, von denen Klein in
dem erwähnten Buch schreibt, mußten in den Jahren um 1870 dem Bau der Moselstraße, der
heutigen L98, weichen. Es ist heute für uns unvorstellbar, daß es vorher keine
befahrbare Straße nach Cochem gab. Nur ein schmaler Fußweg verlief mehr oder weniger
hochwasserfrei durch die Weinberge parallel zur Mosel. Das war keine Besonderheit, denn
überall wo ein Fluß war, brauchte man keine Straße.
Einen Fuhrweg auf den Berg (der
alte Bergweg) hat es dagegen immer schon gegeben. Er hatte Anschluß an den
schon erwähnten Rennweg und führte weiter nach Treis. Die heutige Kreisstraße 35, die
1968/69 gebaut wurde, verläuft genau auf dieser Trasse. Von dem in den ersten Jahren
dieses Jahrhunderts angelegten neuen Bergweg sind nur noch Teilstücke
vorhanden.
Die schon 1551 erwähnte Fähre hatte
ihren Standort mit Ausnahme weniger Jahre immer am Fuße des Bergweges. Bald nach dem
Ausbau der Mosel zur Großschiffahrtsstraße mußte sie ihren Dienst einstellen. Heute
überspannt an fast gleicher Stelle die 1972-74 erbaute Peter-Altmeier-Brücke die Mosel und wird den
Erfordernissen des heutigen Straßenverkehrs besser gerecht. Weitere Informationen über
die Planung und den Bau dieser Brücke findet man in der Festschrift zur Verkehrsübergabe
von 1974.
Eine ganz andere
Verkehrserschließung sollte unser Ort zu Beginn dieses Jahrhunderts erfahren. Mit dem Bau
einer Eisenbahn auf der rechten Moselseite von Koblenz nach Trier sollten auch die
Ortschaften im Cochemer Krampen Eisenbahnanschluß erhalten. Die Pläne waren
fertig, aber aus Kostengründen wurde der Bau immer wieder verschoben.
Mitten im 1. Weltkrieg wurde aus
strategischen Gründen das Vorhaben wieder aufgegriffen und beschleunigt. Gebaut werden
sollte aber nur noch ein Teilstück, und zwar von Karden bis zum Petersberg bei Neef. Der
schwierigsten Bauabschnitt war der geplante Tunnel zwischen Treis und Bruttig. Deshalb
begann man auch zuerst mit diesen Arbeiten im Frühjahr 1917, und schon Weihnachten 1919
konnte der ca. 2,6 km lange Tunnel eingeweiht werden. Obwohl der Krieg vorbei war, gingen
die Arbeiten vorerst weiter, der Versailler Vertrag gestattete allerdings nur die
Fertigstellung begonnener Bauabschnitte, auch wegen der Bausicherheit.
Die schlimmsten Folgen des gesamten
Bauvorhabens hatte Bruttig zu tragen. Nach Art der damaligen Zeit wurde die
Trassenführung ohne Rücksicht auf Mensch und Natur mitten durch die bebaute Ortslage
projektiert. Gleichzeitig mit dem Bau des Tunnels erstellte man auch die Viadukte und
Stützmauern innerhalb der Ortslage, wozu vorher eine ganze Reihe Wohnhäuser und
Nebengebäude abgerissen werden mußte. Mit dem Abraum aus dem Tunnel wurde der Damm
aufgeschüttet, beziehungsweise aufgefüllt, der bei der Einstellung der Arbeiten bis an
die ersten Häuser von Fankel heranreichte. Nachdem endgültig feststand, daß auf
absehbare Zeit die Bahn nicht weiter gebaut werden sollte, mauerte man die Eingänge des
Tunnels zu.
1937 begann der spanische
Geschäftsmann Wilhelm Alcover im Tunnel auf der Bruttiger Seite
mit einer Champignonzucht, die er bis Ende des Kriegsjahres 1943 mit viel Erfolg betreiben
konnte. In diesem ersten größeren Gewerbebetrieb in Bruttig arbeiteten eine ganze Reihe
junger Männer und Frauen aus dem Ort.
Dann begann im Tunnel eine
unrühmliche Zeit. Nach entsprechendem Umbau im Innern und Befestigung der beiden
Eingänge mit bombensicheren Betonwerken verlegte die Firma Bosch aus Stuttgart ihre
Produktion dorthin. Die Umbauarbeiten, aber auch die spätere Produktion wurden zum
größten Teil von Zwangsarbeitern aus den von Deutschland besetzten Ländern ausgeführt.
In Treis wie auch in Bruttig entstand auf dem Bahndamm außerhalb der Ortslage (auf
der Kipp) ein Barackenlager, eingezäunt mit Stacheldraht und versehen mit
Wachtürmen.
Diese sogenannten
Arbeitslager unterstanden dem Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im
Elsaß und die Behandlung der Häftlinge durch die SS war entsprechend. Bedingt durch das
nahe Heranrücken der Westfront wurden die Lager Ende des Jahres 1944 aufgelöst und die
Arbeiten im Tunnel eingestellt. Obwohl dieses Drama nur ein dreiviertel Jahr dauerte,
erlebten die Häftlinge in dieser Zeit unsägliches Leid. In der Zeit vom 20.3.1944 bis
zum 7.8.1944 sind im Standesamt Cochem-Land 52 Todesfälle von Häftlingen aus dem Lager
Bruttig dokumentiert, darunter auch 2 Deutsche. Die Todesursachen, die nicht dokumentiert
sind, waren fehlende medizinische Versorgung, Folgen der Unterernährung, Erschlagen und
Erhängen. Allein am 20.6.1944 wurden 7 Todesfälle gemeldet. Ernst Heimes hat mit seinem
Buch Ich habe immer nur den Zaun gesehen eine
umfangreiche Dokumentation erstellt, die das Geschehene vor dem Vergessen bewahrt.
Neben den Gräbern von 7
Zwangsarbeitern auf unserem Friedhof erinnert ein von Christoph Anders geschaffenes Mahnmal an die Opfer
aus jener Zeit.
Von ihm ist auch der Gedenkstein für
die 12 jüdischen Mitbürger aus Bruttig, die deportiert und in verschiedenen
Konzentrationslagern umgebracht worden sind. Die Anregung, diesen Stein errichten zu
lassen, kam von Robert T. Simon, geboren in
Bruttig, heute wohnhaft in Sausalito, Kalifornien, der als Schuljunge durch seine Flucht
nach Frankreich seinen Verfolgern entkam. Die beiden Gedenksteine sollen erinnern und
mahnen, daß sich nie wieder ein Holocaust wiederholen kann.
Seit nun fast 80 Jahren zerschneidet
diese Bauruine unser Dorf in zwei Hälften. Die Tatsache, daß dieser, stellenweise 9m
hohe Damm, schon so lange zum Erscheinungsbild unseres Ortes gehört und von vielen
Gästen verständnislos bestaunt wird, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß er
bei Licht besehen nur einen teuren, völlig nutzlosen Fremdkörper innerhalb unseres
Wohnortes darstellt. Viel Geld und Ideenreichtum sind erforderlich, damit dieser Steindamm
irgendwann einmal wieder aus Bruttig verschwindet .
Die 1969 vollzogene Verwaltungsreform
in Rheinland-Pfalz brachte wichtige und einschneidende Veränderungen für unseren Ort. Im
Gesetz war u.a. festgelegt, daß die beiden selbständigen Dörfer Bruttig und Fankel zu
einer Gemeinde zusammengeführt werden sollten. Es ist verständlich, daß dies viel Unmut
hervorrief, besonders deshalb, weil dieser Beschluß nicht von den Bürgern selbst
herbeigeführt worden war, sondern vom Gesetzgeber zwangsweise erfolgte.
In Bruttig wollte man das nicht,
beließ es aber dabei, in Fankel wehrte man sich heftig dagegen, aber letzendlich ohne
Erfolg. Bei der Namensgebung für die neue Doppelgemeinde war das anders. Das Gesetz sah
verschiedene Möglichkeiten vor, entweder ein ganz neuer Kunstname oder der
größere Ortsteil Bruttig sollte namensgebend sein, Doppelnamen sollten nur in
Ausnahmefällen zugelassen werden. Nur dem heute schon fast legendären Widerstand der
gesamten Fankeler Bevölkerung ist es zu verdanken, daß die neue Gemeinde den Doppelnamen
führen kann. Man kann aus heutiger Sicht das mangelnde Fingerspitzengefühl des
Gesetzgebers bedauern, man muß aber auch sagen, daß es gut und richtig war, die beiden
Dörfer zu einer leistungsfähigen Gemeinde zu vereinigen.
Das die Orte so schnell
zusammenfanden, ist auch ein Verdienst des ersten Bürgermeisters der Doppelgemeinde, Egon Heß aus Fankel, der mit Weitsicht und
großem kommunalpolitischem Engagement an die Lösung der Probleme heranging. Man kann
heute mit Bestimmtheit sagen, daß es in beiden Ortsteilen keine ernstzunehmenden Stimmen
mehr gibt, die den alten Zustand wieder herbeiführen wollten.
Der Strukturwandel in Landwirtschaft
und Weinbau, der seit Mitte der 60er Jahre auch bei uns immer stärker spürbar wurde,
verlangte nach Maßnahmen, die einen rationellen, modernen, maschinenunterstützten
Weinbau ermöglichten, und diesen so zu erhalten, daß er auch in der Zukunft das
Erscheinungsbild unseres Ortes entscheident prägt. Mit der Einleitung des
Flurbereinigungsverfahrens im Jahr 1969 hatte man den richtigen Weg beschritten (Siehe
Artikel: Weinbau nach 1100 Jahren und seine
Perspektiven).
Mit diesem Verfahren konnte aber auch
ein anderes Problem gelöst werden. Seit Jahren war kein zusammenhängendes Bauland mehr
vorhanden, und bei der vorherrschenden Kleinstparzellierung der Grundstücke war es fast
unmöglich, einen geeigneten Bauplatz zu erwerben. Das änderte sich nach Abschluß des
Verfahrens schlagartig. Auf den neu erschlossenden Flächen setzte eine rege Bautätigkeit
ein, die die Erwartungen bei weitem übertraf. War man bei der Erstellung des
Flurbereinigungsplanes noch der Ansicht, daß man in dieser Hinsicht auf lange Zeit
vorgesorgt hätte, erwies es sich schon 15 Jahre später als notwendig, weiteres Bauland
zu erschließen.
Auch für viele Auswärtige ist
Bruttig-Fankel ein interessanter Wohnort geworden. Das hängt sicher auch damit zusammen,
daß die vorhandene Infrastruktur als gut bezeichnet werden kann. Das sind neben den
traditionellen Weinbaubetrieben im einzelnen:
Kindergarten, Grundschule,
Arztpraxis, Post, zwei Kreditinstitute, landwirtschaftliche Warengenossenschaft,
Handwerks- und Handelsbetriebe verschiedenster Art, Tankstelle, Ingenieurbüros,
Gartenbaubetriebe, Versicherungsagenturen, zwei Lebensmittelgeschäfte, Bäckerei,
Fleischerei, Hotels, Restaurants, Gastwirtschaften, Weinstuben, Straußwirtschaften und
Privatpensionen.
Die Moselbrücke und die beiden gut
ausgebauten Kreisstraßen 35 und 36 gewährleisten darüber hinaus eine gute
Verkehrsanbindung an das überregionale Straßennetz.
Nicht zuletzt ist das intakte
Vereinsleben ein wichtiger Faktor für den hohen Wohnwert unseres Dorfes.
Die Einwohnerzahl betrug am 1. Januar
1998 insgesamt: 1262, im Ortsteil Bruttig wohnen 731 Menschen, 531 im Ortsteil Fankel.
Mit dem dorfgerechten Ausbau der
Innerortsstraßen und der frühzeitigen Teilnahme am Dorferneuerungsprogramm hat die
Gemeinde den richtige Weg eingeschlagen, so daß sich unser Ort für den Fremdenverkehr
noch attraktiver präsentiert.
Ein besonders gelungenes Beispiel ist
die Gestaltung des Moselvorgeländes in Verbindung mit der neuen Ortsdurchfahrt in
Bruttig. Sie entspricht in besonderer Weise den Wünschen der Einwohner und den
Erwartungen der Gäste und berücksichtigt auch die Anforderungen des Straßenverkehrs.
Mehr solche positive Maßnahmen sind notwendig, um die Wohnqualität und den Urlaubswert
unserer Gemeinde auf Dauer noch zu steigern.
Wir alle sollten mit Phantasie und
Tatkraft an diesen vielfältigen Aufgaben mitarbeiten, damit Bruttig-Fankel auch in der
Zukunft das bleibt, was es immer war:
Ein bedeutender Wein- und
Ferienort an der Mosel
Weinbau nach 1100 Jahren und seine
Perspektiven
Wir feiern in diesem Jahr nicht nur
unser 1100-jähriges Ortsjubiläum, sondern ebenfalls 1100 Jahre Weinbau in Bruttig. Am 4.
Juni 898 schenkte der fränkische König Zwentibold einen Weinhof in Bruttig an das Stift
Essen. Somit bezeugt uns der erste schriftliche Nachweis unseres Dorfes einen schon
entwickelten Weinbau. Über 1000 Jahre bleibt der Weinbau die vorherrschende
Einnahmequelle unserer Bevölkerung.
Eine erste exakte Bestandsaufnahme
erfolgte 1720. Alle Rebstöcke wurden aus steuerlichen Gründen gezählt und in drei
Ertragsklassen eingestuft:
|
Bruttig |
Fankel |
Gesamt |
1. Klasse |
80 840 Stöcke |
550485 Stöcke |
136 325 Stöcke |
2. Klasse |
1610803 Stöcke |
169 039 Stöcke |
330 842 Stöcke |
3. Klasse |
150 351 Stöcke |
65 962 Stöcke |
216 313 Stöcke |
Gesamt |
392 994 Stöcke |
290486 Stöcke |
683 480 Stöcke |
(aus:
Grund- und Extraktenbücher LHA KO Best. 1 C Nr. 14936 + 14941)
Die Pflanzdichte wird vermutlich
deutlich unter einem Quadratmeter je Rebstock gelegen haben.
Im Jahr 1970 lebten von den 300
Haushalten in Bruttig und Fankel 44% ausschließlich und 8% überwiegend vom Weinbau. In
31% derselben war der Weinbau nur Nebenerwerb und nur 17% hatten keine Einkünfte aus dem
Weinbau. Etwa 470 Eigentümer besaßen die Gesamtweinbaufläche von ca. 140 ha der neu
gebildeten Gemeinde Bruttig-Fankel. Eheleute und Miteigentümer zählten als ein Besitzer.
(aus: Schlußbericht der Weinbergsflurbereinigung Bruttig-Fankel 1979)
1998 werden nur noch 210 Betriebe als
Bewirtschafter der Rebflächen in der Gemarkung von Bruttig-Fankel geführt. Die bestockte
Rebfläche beträgt nur noch 97,7 ha.
Bestockte Rebfläche in den
Gemarkungen Bruttig und Fankel in ha nach Rebsorten:
Rebsorte |
Bruttig |
Fankel |
Gesamt |
% |
Riesling |
27,3 |
16,8 |
44,1 |
45,1 |
Elbling |
12,9 |
11,4 |
24,3 |
24,9 |
restl. weiße Rebsorten |
6,5 |
6,8 |
13,3 |
13,7 |
Müller-Thurgau |
5,6 |
6,0 |
11,6 |
11,9 |
rote Rebsorten |
1,9 |
2,4 |
4,3 |
4,5 |
Gesamt |
54,2 |
43,4 |
97,6 |
|
Rebfläche in den Gemarkungen Bruttig
und Fankel in ha nach Nutzungsart:
Gemarkung |
bestockt |
Brache + Driesche |
Gesamt |
Bruttig |
54,3 |
6,8 |
61,2 |
Fankel |
43,4 |
3,4 |
46,7 |
Gesamt |
97,3 |
10,2 |
107,9 |
Sofern Weinbergsdriesche innerhalb
von 8 Jahren nicht neu mit Reben bepflanzt werden, verfällt das Recht auf
Wiederbepflanzung. Sie gehen als mögliche Rebflächen verloren.
Bestockte Rebflächen in den
Gemarkungen Bruttig und Fankel in ha nach Weinlagen (Stand 01/98 Rebflächenverzeichnis):
Lage |
Bruttig |
Fankel |
Gesamt |
Götterlay |
9,3 |
3,3 |
12,6 |
Kapellenberg |
21,1 |
15,4 |
36,5 |
Pfarrgarten |
7,7 |
--- |
7,7 |
Rathausberg |
16,3 |
--- |
16,3 |
Layenberg |
--- |
9,7 |
9,7 |
Martinsborn |
--- |
11,5 |
11,5 |
Rosenberg |
--- |
3,6 |
3,6 |
Gesamt |
54,4 |
43,5 |
97,8 |
(Mitteilung von Ltd. LD Wolfgang Stöhr, Landwirtschaftskammer RLP)
Altersstruktur der hauptberuflichen
Winzer aus Bruttig-Fankel:
|
bis 30 Jahre |
30-40 Jahre |
40-50 Jahre |
50-60 Jahre |
Gesamt |
Bruttig |
2 |
2 |
7 |
5 |
16 |
Fankel |
0 |
0 |
5 |
4 |
9 |
Gesamt |
2 |
2 |
12 |
9 |
25 |
Die Rebfläche, die Zahl der Betriebe
und vor allem die der hauptberuflichen Winzer, sank in den letzten 20 Jahren drastisch ab.
Der Weinbau verlor immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung. In zweistelliger
Millionenhöhe verloren die Weinberge an Wert. Vor allem zunehmende Brachflächen und die
Mengenregulierung verursachten eine Halbierung der erzeugten Weinmenge auf etwa 1,2
Millionen Liter jährlich. Hierdurch gingen unseren Einwohnern jährliche Brutto-Einnahmen
von mehreren Millionen DM verloren.
Besonders betroffen sind die älteren
Winzerinnen und Winzer ohne Hofnachfolger. Sie müssen oft mit dem niedrigen
landwirtschaftlichen Altersgeld (Rente) und den geringen Pachterlösen auskommen. Es fehlt
ihnen an Altenteilsleistungen durch die Betriebsübernehmer.
Die Einkommen aus Faßweinverkäufen
an die Weingroßkellereien und den Traubenanlieferungen an die Genossenschaft gingen
zurück. Die 1989 eingeführte Mengenregulierung brachte keine Besserung, nur verlorene
Marktanteile. Einzig die Betriebe mit eigener Flaschenweinvermarktung konnten bei hohem
Einsatz ausreichende Einnahmen erwirtschaften.
Vermarktungswege der Bruttig-Fankeler
Weine in den letzten 10 Jahren:
Faßwein über Weingroßkellereien
ca. 45%
Trauben über Winzergenossenschaft
ca. 25%
Selbstvermarktung an Verbraucher
ca. 30%
Es ist kurz- und mittelfristig nicht
zu erwarten, daß sich die Erlössituation über Faßwein- und Traubenvermarktung
wesentlich verbessert. Folglich bleibt als einzige Alternative die Selbstvermarktung. Nur
sie bietet die Chance für einen rentablen Weinbau und muß weiter zunehmen, um dessen
Zukunft zu sichern.
Vom Fortbestand des Weinbaues hängt
im wesentlichen auch der Fremdenverkehr ab. Dies ist unsere zweite wirtschaftliche Säule
mit zunehmender Bedeutung. Beide profitieren wechselseitig voneinander und können nur im
Zusammenhang gesehen werden.
Der Fremdenverkehr gewährt die beste
Möglichkeit, neue Weinfreunde zu gewinnen. Aus diesem Grund und um ein zweites Standbein
zu haben, betreiben viele Winzer eine Gästepension, Straußwirtschaft oder Gaststätte.
Von den 25 Haupterwerbstwinzern unter 60 Jahren sind dies 20 Betriebe. Der Tourismus
trägt ganz wesentlich zum Fortbestand des Weinbaues bei. Umgekehrt pflegen die Winzer
unsere herrliche Kulturlandschaft und bieten Erlebnisse rund um den Wein an. Ein
florierender Fremdenverkehr fördert die Zukunftschancen unseres Weinbaues ganz erheblich.
Deshalb ist es auch in dessem Sinne,
die Schwächen der weißen Industrie zu beseitigen. Die Einkommen sind durch eine zu
schwache Auslastung und mäßige Preise nicht befriedigend. Eine Änderung ist nur über
ein umfassendes und verbessertes Gästeangebot erreichbar. Wir benötigen mehr Gäste aus
der Zielgruppe, die einen lohnenden Tourismus und guten Weinverkauf ermöglichen. Vor
allem solche Leute legen besonderen Wert auf typische Moselorte. Wir können stolz sein,
in zwei Dörfern mit vielen historischen Bauten und noch unverkennbarem Charakter zu
leben. Es gilt, diesen zu bewahren und noch besser herauszustellen.
Eine Gefahr erwächst aus dem sich
immer mehr ausbreitenden Neubaugebiet, daß sich meist in bundesdeutscher Vielfältigkeit
zeigt. Das Bewußtsein unserer Bevölkerung für die eigene Kultur bedarf noch der
Steigerung. Vielleicht hilft die Erkenntnis, daß sich dies auch wirtschaftlich lohnt.
Der Weinbau erlitt in den letzten 15
Jahren einen starken Niedergang. Einige Anzeichen sprechen endlich dafür, daß wir die
Talsohle erreicht haben. Wie so oft, haben große negative Entwicklungen gleichwohl
positive Seiten. Der Rückzug des Weinbaues aus den weniger guten Randlagen führte zu
einer besseren Weinqualität. Ebenso die reduzierten Erträge durch die Mengenregulierung.
Durch sie und die billigen Pacht- und Bodenpreise wandelt sich unser Weinbau immer mehr
von einer intensiven zur kostengünstigeren extensiven Bewirtschaftung. Die
höchstmögliche Produktion von den knappen Flächen ist nicht mehr nötig.
Leider fielen dem Wandel auch die
meisten der guten und landschaftsprägenden Rebflächen in der oberen Berghälfte zum
Opfer. Durch die beschlossene beschleunigte Flurbereinigung in den Steillagen
Götterlay und Rosenberg wird dem dort entgegen gewirkt. Die Arrondierung der Flächen,
mit der dann möglichen Erschließung durch Bahnen, führt zu einer besseren
Bewirtschaftung. Die Ausdehnung der Brache wird gestoppt und es kommt teilweise zum
Wiederaufbau von Drieschen mit Reben.
Aus der Alters- und Familienstruktur
unserer Winzerschaft läßt sich ableiten, daß in 20 Jahren nur noch maximal 10
Haupterwerbsbetriebe bestehen werden. Der Nebenerwerb läuft meist nach einer Generation
aus.
Bei rund 100 ha Gemarkungsfläche
ergibt dies durchschnittlich je Betrieb 8-10 ha Rebfläche mit einer Weinernte von 100 000
Liter. So große Betriebe mit Steillagen können nicht mehr von einer Winzerfamilie allein
bewirtschaftet werden.Sie wäre schon durch die Vermarktung von über 100 000 Flaschen
mehr als ausgelastet. Vom Einsatz in der oft angegliederten Pension oder dem Gutsausschank
ganz zu schweigen. Die Betriebe hätten eine Größe erreicht, die auch mit
Aushilfskräften kaum zu führen sind. Zudem ist fraglich, ob dann noch osteuropäische
Kräfte zur Verfügung stehen.
Vielleicht ändert sich die
Einstellung der einheimischen Bevölkerung, die heute fast nur während der Lese bereit
ist im Weinbau zu arbeiten. Um teure, feste Kräfte einstellen zu können, müßten die
Erlöse deutlich steigen. Sollte dies alles nicht möglich sein, wird für die
verbleibenden Betriebe das Motto lauten: Weniger ist mehr. Die Weinbaufläche
ginge zurück mit all ihren negativen Folgen.
Alle Bemühungen müssen letztendlich
zu einem ausreichenden Einkommen führen, das noch bei vertretbarem Arbeitszeitaufwand der
Winzerfamilien erzielt wird. Nur hierdurch kann wieder Interesse der Jugend am Winzerberuf
geweckt werden. Zur Zeit fehlt in Bruttig-Fankel fast die ganze junge Winzergeneration.
Diese Lücke muß bald wieder gefüllt werden, da sonst das Bindeglied fehlt. Im gesamten
Moselgebiet sieht es nicht ganz so spärlich aus.
Neben der Politik ist in erster Linie
der Berufsstand selbst gefordert, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Es gilt
sich den veränderten Bedingungen anzupassen und konsequent das Bestmögliche anzustreben.
Die Mosel mit der weltweit größten
Rebfläche an Riesling, der besten Weißweintraube, muß wieder den ihr zustehenden Rang
erreichen. Dies geht nur mit der Spezialität Mosel-Riesling. In keinem anderen Gebiet und
auch von keiner anderen Rebsorte wird seine einmalige elegante Art, sein feinfruchtig,
blumiges Bukett und die rassige, erfrischende Säure erreicht. Er ist unnachahmlich und
muß als Zugpferd noch stärker herausgestellt werden.
Modetrends, wie in der Vergangenheit
die neuen Bukettsorten oder heute der Rotwein und die weißen Burgundersorten, bringen
meist nur kurzzeitig Erfolg. Sie dürfen über ein Nischendasein nicht hinauskommen, um
den unverwechselbaren Gebietscharakter der Mosel nicht zu verfälschen. Nur mit der
Spezialität Mosel-Riesling erreichen wir auch langfristig ein nötiges höheres
Preisniveau. In den mittleren und besten Lagen sollte nur Riesling angebaut werden.
Voraussetzung für den Erfolg unserer Weine ist eine hohe Qualität, gute Erkennbarkeit im
Geschmack und Vertrauen beim Verbraucher.
Eine genaue Prognose über die
Entwicklung des Weinbaues in Bruttig-Fankel ist sehr schwierig. Sie hängt von zu vielen
Faktoren ab, die zudem teilweise nicht voraussehbar sind. Vermutlich werden die ebenen
Weinbauflächen wegen der günstigen Bewirtschaftung alle weiter bebaut, um Spitzenweine
anbieten zu können auch die besten Steillagen im heutigen Umfang. Die Bewirtschaftung der
anderen Steillagen wird weiter stark zurückgehen.
Probleme und Chancen des Weinbaues
möchte ich mit diesem Beitrag bewußtmachen. Er soll mithelfen, die Lage des Weinbaues
richtiger zu beurteilen. Ich hoffe, daß hierdurch in unserer Bevölkerung ein besseres
Verständnis und mehr Verbundenheit mit dem heimischen Weinbau erreicht wird.
Für das nächste Ortsjubiläum in 50
Jahren wünsche ich, daß auch dann wieder die Winzerschaft ihr Jubiläum mitfeiern kann!
Paul Schunk
Ein Unfallkreuz gab Rätsel auf
Von den Flur- und Wegekreuzen, die
man in unserer Gemarkung findet, verdient eines davon ganz besondere Beachtung. Es
befindet sich ca. 500 m unterhalb der Ortslage Bruttig an der L 98, eingelassen in den
Bahndamm, an der Stelle, wo die Rampe beginnt, die zum Durchgang des Dammes führt.
Auf den ersten Blick ein ganz
normales Unfallkreuz, das aufgerichtet wurde zur Erinnerung an einen jungen Mann, der dort
von einem Stein erschlagen wurde. Als man vor einigen Jahren damit begann, die Flur- und
Wegekreuze und ihre Inschriften aufzunehmen und zu dokumentieren, mußte man feststellen,
daß der größte Teil der Inschrift an diesem Kreuz mit dem Hammer systematisch zerstört
worden war. Zu lesen war nur noch:
1843 D 14. JAN. IST HIR
GEST: PHILIPP JAKOB
OSTERMANN
VON EINEM STEIN
GETROFFEN...............
.............................
.............................
AMEN
Wer auch immer ein Interesse daran
gehabt haben mag, den weiteren Text zu zerstören, er hatte es nicht gründlich genug
getan. In geduldiger Kleinarbeit gelang es schließlich, den größten Teil der fehlenden
Schrift zweifelsfrei wieder herzustellen. Sie lautet:
.. DER GOTT
NACH IM GEWORFEN
HATT. ER WURDE
GELIBT V.[on] S.[einen] ELTERNN
ER LERNT U.[ns]. SICH DEM
BRUDERMORT ERIEN[nern]
...............CH BESTELT
AMEN
Der ungeheuerliche Vorwurf, der in
dieser Textpassage liegt, nämlich: Kain, wo ist dein Bruder Abel? und die
Antwort: Bin ich denn der Hüter meines Bruders? ließ natürlich nicht eher
ruhen, bis man den Hintergrund dieser Tragödie erhellen konnte. Die Nachforschungen bei
alten Mitbürgern erbrachten folgendes Ergebnis: Zwei Brüder hatten im Wege der
Erbteilung von ihren Eltern einen Weinberg im Daun
erhalten und zwar der ältere die obere und der jüngere die untere Hälfte. Dieser
Weinberg war durch Steinschlag und auch von Steinen, die lose im Weinberg lagen, besonders
gefährdet. Deshalb hatten die Eltern die Bedingung daran geknüpft, daß einer den
anderen vor eventuellen Arbeiten dort benachrichtigen sollte, damit der unten Arbeitende
nicht zusätzlich gefährdet würde. So wie die Dinge liegen, hat sich der ältere Sohn
wohl nicht daran gehalten.
Wenn ihm auch keine direkte Schuld
nachgewiesen werden konnte, so war die Formulierung auf der Schrifttafel des Kreuzes eine
bohrende Frage an ihn und ist eine dringende Mahnung an uns alle.
Die Pfarrei St. Margaretha
Als der römische Kaiser Konstantin
der Große im Februar 313 mit dem Mailänder Edikt die Christenverfolgung im ganzen Reich
beendete, konnte sich das Christentum auch bei uns verstärkt ausbreiten. Nachdem Kaiser Theodosius der Große im Jahre 392 den Besuch der
heidnischen Tempel verbot und alle heidnischen Kulthandlungen unter Strafe stellte, war
die Christianisierung nicht mehr aufzuhalten. In den folgenden Jahrhunderten der
Merowingerzeit wurden überall in unserer Gegend Kirchen gebaut und Pfarrbezirke gebildet.
Für eine frühe Christianisierung unserer Heimat spricht auch die räumliche Nähe zu
Karden, dem geistig-religiösen Zentrum der damaligen Zeit in unserem Raum. Hier konnte
der Hl. Kastor mit seinen Gefährten in den
Jahren um 350 an die ehemaligen kelto-romanischen Heiligtümer anknüpfen
In Karden wird 1084 ein
Kollegiatstift (eine Priestergemeinschaft, die auch mit der Seelsorge der umliegenden
Dörfer beauftragt ist) erstmals urkundlich erwähnt, doch es ist anzunehmen, daß dieses
schon hundert Jahre vorher existierte .Der Vorsteher dieser Gemeinschaft, auch Chorbischof
genannt, war der Archidiakon. Er wurde vom Bischof in Trier eingeführt und übernahm für
diesen gewisse Aufgaben in den ländlichen Pfarreien. Ihm oblag auch die Einteilung der
Geistlichen auf die einzelnen Ortschaften. Man darf annehmen, daß um das Jahr 800 auch
bei uns eine Kirche stand, die dann um das Jahr 1050 zur Pfarrkirche für die Pfarrei
Bruttig wurde mit den Filialen: Fankel, Ellenz, Poltersdorf, Ernst und Valwig. Ellenz wird
1308, Poltersdorf 1310, Valwig 1331 und Ernst 1337 selbständige Pfarrei. Der Pfarrbezirk
reichte bis an die Grenzen der Großpfarrei Eller heran.
Der Schutzpatron unserer Kirche war
damals mit Sicherheit der Hl. Remigius.
Der Hl. Remigius (437-533) war Bischof von Reims. Er
taufte am Weihnachtsfest des Jahres 496 den Frankenkönig Chlodwig I. mit vielen seiner Edelleute. Viele
alte Pfarrkirchen in unserem Bistum sind dem Hl. Remigius geweiht.
Der
erste Pfarrstelleninhaber, den wir mit Namen kennen, war Arnold von Ehrenberg 1282. Er war Domherr in
Köln und hatte in Bruttig einen Stellvertreter.
Heinrich von
Virneburg wird 1288 als
Pfarrstelleninhaber genannt.
1309
wird Gerlach, 1343 Everhard und 1348 Winrich als Pfarrer von Bruttig erwähnt.
1377
ist Johann von Monreal Inhaber der
Pfarrstelle. Er hatte einen Vertreter angestellt, weil er die Pfarrei schon als
Minderjähriger empfangen hatte. Sein Stellvertreter hieß Hermann und nannte sich Rektor. Johann konnte die
Stelle gar nicht antreten, weil er nicht zum Priester geweiht worden war. Urkunden über
diesen unglaublichen Vorgang sind abgedruckt in:
Sauerland: Vatik. Urkunden und
Regesten.
1422 - 1426 ist Gobelius von Fankel und vor 1487 Johann Grahs, Vertreter des Bruttiger Pfarrers. Sie nennen
sich Pleban (Leutpriester).
Im Jahr 1471 wurde unsere Pfarrei von
Papst Sixtus IV. dem Kollegiastift Karden
einverleibt. Das Stift hatte ihn darum gebeten, um die finanzielle Situation zu
verbessern, damit man den vielfältigen Aufgaben in der Seelsorge besser gerecht werden
könnte. Damit waren die Kanoniker in Karden die eigentlichen Pfarrer in Bruttig und
bezogen nun auch den halben Teil der Zehnteinnahmen aus der Pfarrstelle Bruttig.
In den Jahren um 1500 wird eine neue
Kirche gebaut. Die Jahreszahl 1507 am Turmportal könnte das Jahr der Fertigstellung sein.
Das alte Pfarrhaus auf der Lay stammt wahrscheinlich aus der gleichen Zeit. In
einer Urkunde betreffend Kirche Bruttig und Kloster Engelport wird Servatius Hausmann Pfarrer in Bruttig, gest. 1501,
und 1519 Mathias Humphen Pastor in Bruttig
und Landdechant von Zell erwähnt.
1548 ist Jakob Maurer Pfarrer in Bruttig. Er ist
wahrscheinlich identisch mit dem 1569 genannten Jakob
Latomus. Er erhält 1572 vom Trierer Kurfürst die Genehmigung einen Teil des
Pfarrhauses als Schule einrichten zu dürfen. Die Anregung und finanzielle Unterstützung
für dieses wichtige Vorhaben kam von Martin
Gobelius, der von hier stammte und in Bad Soden-Salmünster Dechant war. Siehe
auch: Jahrbuch 1998 für den Kreis Cochem-Zell, Seite 134.
Von 1590 - 1609 war Johann Leonhard Pfalzel Pfarrer in Bruttig.
Obwohl er Kanoniker in Karden war, versah er selbst den Dienst bei uns. Er hat auch das
erste Taufbuch der Pfarrei angelegt und wurde 1609 Dechant des Zeller Landkapitels.
Ihm
folgten bis 1613 Johann Emmel, 1613 - 1620 Johann
Schrober und 1621 - 1639 Nikolaus Walscheid als Pfarrer in Bruttig.
Von Philipp Ostmann, der von 1639 - 1656 bei uns wirkte, stammt auch das
Renovationsbuch der Filialkirche Fankel von 1654. Es ist eine Handschrift des Lehrers und
Organisten von Bruttig, Johann Carolus Aeschermann
aus Gerolstein. In diesem Buch ist der Grundbesitz sowie die Rechte an Geld, Trauben,
Wein, Wachs und Öl verzeichnet.
1656 ist Heinrich von Bocheim Pfarrer und 1666 - 1680 wird Franziskus Gobelius aus Bruttig als Vertreter des
Pfarrers genannt.
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1705 |
- 1723 heißt der Pfarrer Konrad Petri, ihm folgt 1723 - 1754 Johann
Karl Bayer. Sein Bruder Johann war Schultheiß in Bruttig. 1754 übernahm Franz Michael Schwarzenberg die Pfarrei bis 1793.
Als Johann Nikolaus Feuser, der seit 1787 Pfarrer in
Bullay war, noch im gleichen Jahr nach hier kam, spürte die Bevölkerung im ganzen
Rheinland schon die Wogen der französischen Revolution. Mit der Besetzung unserer Heimat
durch die Revolutionstruppen begann die systematische Auflösung und Zerstörung aller
Klöster in den eroberten Gebieten. Auch das Kloster Maria Engelport, das im
Gemeindebezirk Fankel lag, teilte dieses Schicksal. Zur Geschichte des Klosters Engelport
hat Dr. Norbert J. Pies eine ganze Reihe von Schriften herausgegeben, insbesondere auch:
Bruttig-Fankel und Kloster Maria Engelport.Ein Beitrag zur 1100-Jahrfeier der
Gemeinde.
Im Jahr 1824, während der Amtszeit
von Herrn Feuser, wurde das jetzige Pfarrhaus erbaut. Er starb am 7. August 1833 und wurde
hier begraben. Sein Grabstein steht jetzt am Kirchturm.
Franz Josef
Roll, der von 1823 - 1825 in Trarbach, und von 1825 - 1833 in Eller war, übernahm noch im gleichen
Jahr die hiesige Pfarrei. Während seiner Amtszeit wurde in den Jahren 1845 - 1847
das heutige Kirchenschiff neu erbaut. Pfarrer Roll war hier bis 1858. Mehr darüber ist
nachzulesen in: 150 Jahre Neubau der Pfarrkirche St. Margaretha in Bruttig.
Festschrift zum Kirchenjubiläum am 15. Juni 1997.
Ihm folgte 1859 - 1871 Franz
Dersdorf und von 1871 - 1872 Johann Baptist Roelen. Beide wurden auch hier
beerdigt. Von 1872 - 1884 war unsere Pfarrei
wegen des Kulturkampfes unbesetzt.
Die Gottesdienste wurden von den
Pfarrern aus den Nachbargemeinden abgehalten, und oft wurde die Spendung der Sakramente
heimlich von den staatlich nicht zugelassenen Geistlichen in den Privathäusern
vorgenommen. Einer der bekanntesten Kulturkampfpriester im Bistum Trier war der am
18.4.1848 in Fankel geborene Franz Schneiders.
Die Staatspresse nannte ihn den geistlichen Schinderhannes. Er verstand es,
sich durch Bauernschläue, Verkleidungen und mit Hilfe aufrechter Katholiken des öfteren
dem Zugriff der Polizei zu entziehen. Nach einer ganzen Reihe von Verhaftungen und
Gefängnisstrafen wurde er im Juni 1875 aus dem Deutschen Reich ausgewiesen und ging nach
England.
Mit Matthias Föhr kam am 11.2.1884 wieder ein Pfarrer
nach Bruttig. Auch er hatte als junger Geistlicher im Kulturkampf Gefängnisstrafe auf sich gezogen und war 11 Jahre
aus seiner Heimat ausgewiesen. Nach 28 Jahren segensreichem Wirken bei uns mußte er am
1.1.1912 wegen Krankheit den Dienst in der Pfarrei Bruttig aufgeben. Er starb am 21. Mai
desselben Jahres in seinem Elternhaus in Trier-Heiligkreuz im Alter von 68 Jahren. In
seine Amtszeit fiel auch die Klosterneugründung in Maria Engelport durch die Hünfelder
Oblaten (1903), sowie die Errichtung einer Ordensniederlassung der Franzikanerinnen von
Waldbreitbach bei uns im Ort, nämlich am 12. November 1905. Letztere war möglich
geworden durch die großzügige Stiftung des ledigen Jacob Andrae aus Bruttig, der seine beiden
Wohnhäuser mit Hofbering, sowie
ein Kapital von 60 000 Reichsmark der Gemeinde vermachte mit der Verpflichtung, eine Kleinkinder-Bewahranstalt und eine
Krankenstation einzurichten. Diese Aufgaben sollten von katholischen Ordensschwestern
übernommen werden. Während der Amtszeit von Pfarrer August Lamberty, er kam 1912 als Nachfolger von
Pfarrer Föhr nach Bruttig, traten in den 20er Jahren eine ganze Anzahl junger Mädchen
aus Bruttig-Fankel ins Kloster ein, aber nicht zu den Franziskanerinnen, sondern in der
Mehrzahl bei den Schwestern von der Göttlichen Vorsehung in Mainz. Möglicherweise lag
das auch an Pfarrer Lamberty, dessen Nichte dort auch eingetreten war. Die
Franziskanerinnen zogen sich 1928 oder Anfang 1929 überraschend aus Bruttig zurück.
Daraufhin übernahmen noch im gleichen Jahr die Mainzer Schwestern die hiesige Station.
Nach über 56 Jahren segensreichen Wirkens in unserem Ort mußte am 31.7.1986 die
Niederlassung wegen Schwesternmangel aufgelöst werden.
Im Jahr 1922 erfolgte eine weitere
Ordensniederlassung in Bruttig. Frau Josefine
Schmitz, geb. Schunk , die kinderlos
war, und ihr Stiefvater Josef Feiden, beide
aus dem Schunk´schen Haus , übertrugen schon zu Lebzeiten ihre Häuser,
sowie den größten Teil ihres Weinbergsbesitzes der Missionsgesellschaft der Hünfelder
Oblaten. Diese hatten, wie schon erwähnt, 1903 die Ruinen des ehemaligen Klosters Maria
Engelport angekauft und mit dem Wiederaufbau begonnen. Frau Schmitz war eine Urenkelin von
Bartholomäus Schunk, der während der
Säkularisation große Teile des in Bruttig-Fankel gelegenen Weinbaubesitzes des
aufgelösten Nonnenklosters Maria Engelport angesteigert hatte.
Mit dem Einzug von Pater Leo Wiegand und einigen seiner Mitbrüder
ins Schunk´sche Haus erlebte die traditionell gute Zusammenarbeit zwischen dem Kloster
und unserer Pfarrei einen neuen Höhepunkt. Pater Wiegand unterstützte den jeweiligen
Bruttiger Pfarrer in allen seelsorgerischen Belangen, und an den kirchlichen Hochfesten
kam immer Verstärkung von Engelport zur feierlichen Gestaltung der
Festgottesdienste. Den älteren Mitbürgern aus unserer Pfarrei ist dies sicher noch in
guter Erinnerung. Leider mußte das Kloster Engelport im Frühjahr 1956 die Niederlassung
in Bruttig wieder aufgeben. Der starke Rückgang von Ordensmitgliedern zwang zu dieser
Maßnahme.
Pfarrer Lamberty starb hier am
19.11.1938, er war über 40 Jahre Priester und davon fast 27 Jahre in Bruttig.
Schon 6 Wochen später, am 30
Dezember, kam mit Nikolaus Reiter ein neuer
Pfarrer nach Bruttig. Er war vorher 20 Jahre Pfarrer in Saarbrücken. Seine angeschlagene
Gesundheit hatte ihn gezwungen, eine kleine Pfarrei anzunehmen. Er war ein sehr
intelligenter und humorvoller Mann , und es gelang ihm, die schwierige Zeit des
Nationalsozialismus einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Im Frühjahr 1945
übertrugen ihm die französischen Besatzungstruppen gegen seinen Willen das Amt des
Ortsbürgermeisters, bis er einen unbelasteten Nachfolger benennen konnte, der
das Amt annahm. Noch im gleichen Jahr, am 28. Dezember, verstarb Pfarrer Reiter nach kurzem Krankenlager im Alter von 57 Jahren
und wurde auch hier begraben.
Sein Nachfolger wurde 1946 Johannes Jager. Er war 1890 in Losheim geboren.
Nach seelsorgerischem Wirken in verschiedenen Pfarreien kam er schon krank nach Bruttig.
Während seiner Amtszeit wurden 1949 in der Pfarrkirche 11 neue Kichenfenster eingebaut.
Die alten waren 1944 von einer Luftmine zum größten Teil zerstört worden. 1951 verzichtete er auf die Pfarrei und ging als
Ruhestandsgeistlicher zurück in seine Heimat. Er starb am 14. Dezember 1958 in Losheim.
Matthias
Lambertz, der 1951 unsere
Pfarrei übernahm, war 1894 in Konz geboren. Er wurde 1923 in Trier zum Priester geweiht.
Er war in jeder Hinsicht ein tatkräftiger Mann. In Großlittgen, wo er vor seinem
Amtsantritt in Bruttig Pfarrer gewesen war, hatte die Pfarrei unter seiner Federführung
eine neue Kirche erbaut. Hier in Bruttig und Fankel, wo unter anderem auch größere
bauliche Notwendigkeiten am Pfarrhaus und an beiden Kirchen dringend erforderlich waren,
war Pfarrer Lambertz zu der Zeit der richtige Mann am richtigen Platz Die
wichtigsten Bauvorhaben aus seiner Amtszeit waren: Sicherung des Gewölbes in der
Pfarrkirche durch Einzug von Stahlankern, Einbau einer Warmluftheizung sowie Renovierung
und Neuausmalung, Sanierung des Glockenstuhles und Anschaffung eines elektrischen
Läutewerkes, Umbau des Pfarrhauses zur Schaffung einer Bücherei und eines Jugendraumes
(Pfarrsälchen), Innenrenovierung und Neuausmalung der Filialkirche in Fankel. Anfang der
60er Jahre ließ sein Gesundheitszustand immer mehr zu wünschen übrig, und die
klimatischen Verhältnisse im engen Moseltal machten ihm immer mehr zu schaffen. Darum
verließ er Ende des Jahres 1964 unsere Pfarrei und übernahm die kleinere Pfarrei Pillig
in der Eifel. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in seiner alten Pfarrei
Großlittgen, wo er am 10. Juni 1980 verstarb. Er wurde in seinem Geburtsort Konz
beigesetzt.
Mit Hubertus Lierow kam im April 1965 ein junger
Pfarrer nach Bruttig, der mit 34 Jahren noch voller Tatendrang war. Pfarrer Lierow wurde
1931 in Breslau geboren und 4.8.1957 in Trier zum Priester geweiht. Er wurde im Januar
1965 zum Pfarrer von Bruttig ernannt. Er begann unverzüglich seine Ideen und
Vorstellungen in die Tat umzusetzen, um aus Bruttig und Fankel eine moderne Pfarrei zu
machen, die den Staub der Jahrhunderte abgeschüttelt hat. Seine Fähigkeit,
die Pfarrangehörigen dafür zu begeistern, erleichterten und beschleunigten diesen
Umbruch. Es war die Zeit des II. Vatikanischen
Konzils, in der alles in Bewegung geraten war, was in der Kirche jahrhundertelang
festgefügt war. Der Innenraum unserer Pfarrkirche wurde im Zusammenhang mit der
Liturgiereform ganz umgestaltet. Der Gottesdienst sowie das gesamte kirchliche Leben in
unserer Pfarrei wurde neu organisiert und im Sinne des II. Vatikanums reformiert. Die
Verwaltung und der kircheneigene Grund- und Weinbergsbesitz wurden der Zeit angepaßt. Die
größte Baumaßnahme in jenen Jahren war wohl die umfassende Instandsetzung des
Kirchturmes der Pfarrkirche. Im einzelnen sind zu nennen: Einbau eines Beton-Ringankers in
Höhe der Glockenstube, Erneuerung der Turmgalerie, Ausbesserung des Turmhelmes mit
Naturschiefer sowie die Erneuerung des Außenputzes. Herr Lierow verließ die Pfarrei Ende
des Jahres 1972, um ein Studium zum Studienrat zu beginnen. Er ließ sich laiisieren und
heiratete.
Der neue Pfarrer Josef Kreuser, der am 6. Mai 1973 zu uns kam, war
mit den vielfältigen Aufgaben die er hier vorfand, ganz sicher überfordert. Er verließ
die Pfarrei im Sommer 1974 ohne Ankündigung.
Dietmar
Behrensdorf, Priester und
Religionslehrer in Cochem, der vom 1. Januar - 1. Mai 1973 schon einmal die
Pfarrverwaltung inne hatte, übernahm diese nun ein zweites Mal und wurde unterstützt von
Pater Michael und Pater Georg von den Karmelitern in Beilstein und Pater Erwin vom Kloster Ebernach. Dieses
Provisorium dauerte bis zum Dezember 1978.
In diesen Jahren konnte auch die
dringende Reparatur am Dachstuhl des Kirchenschiffes durchgeführt werden. Durch
Wassereintritt hatte die Holzkonstruktion gelitten und drückte stellenweise so stark auf
die Gewölbebögen, daß sich Risse gebildet hatten. 1978 begann man auch mit dem Bau
einer neuen Kirchenheizung, die 1979 fertiggestellt wurde.
In der Zwischenzeit war, Mitte Januar
1979, Pater Gerhard Farbowski vom Orden der
Steyler Missionare als Pfarrer von Bruttig-Fankel und Ernst eingeführt worden. Nach
seiner Priesterweihe 1957 in der Nähe von Allenstein im ehemaligen Ostpreußen, wirkte er
bis 1977 in verschiedenen Orten in Schlesien und kam dann nach Deutschland. Neben seiner
seelsorgerischen Tätigkeit warb Pfarrer Farbowski immer wieder für eine Erneuerung und
Umgestaltung des Kirchenraumes. Nachdem 1987 das Kirchendach mit Naturschiefer neu
eingedeckt war, konnte man sich diesem großen Vorhaben zuwenden.
Am 4.6.1992 war es endlich soweit. In
einer gemeinsamen Sitzung von Pfarrgemeinde- und Verwaltungsrat wurde die farbliche
Neugestaltung unserer Pfarrkirche beschlossen. Zuerst sollten die beiden alten Anstriche
abgenommen und dann je nach Befund weiter entschieden werden. Ende September begannen die
Arbeiten in der Kirche und im Laufe des Winters, nachdem man die Dispersionsfarben
abgewaschen hatte, stellte man fest, daß ca. 70% der ursprünglichen Farbgebung noch
erhalten war, ausgenommen am Chorgewölbe. Daraufhin entschied der Verwaltungsrat nach
reiflicher Überlegung, die alte Ausmalung zu erhalten, aufzufrischen, Fehlendes zu
ergänzen und Neues der vorgefundenen Farbkomposition anzupassen. Die Ausführung dieser
anspruchsvollen Arbeit lag in den Händen des Kirchenmalers und Restaurators Daniel aus
Geisenheim und seinen Mitarbeitern. Dieser Beschluß fand am Anfang nicht die einhellige
Zustimmung in der Bevölkerung. Doch nach der Ausführung und dem Abschluß aller Arbeiten
waren die Pfarrangehörigen wieder stolz auf das gelungene Werk in ihrer Kirche. Am
Sonntag, dem 4. Juli 1993 wurde mit einem
feierlichen Gottesdienst unter Mitwirkung des MGV Frohsinn Bruttig-Fankel und der
Klingenden Moselländer die Wiedereröffnung festlich begangen.
Seit nunmehr 19 Jahren wirkt Pater
Gerhard Farbowski bei uns und kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen, besonders
da er seit September 1984 auch Vertreter des Dechanten im Dekanat Cochem ist und seit
September 1991 auch noch zum Pfarrer von Valwig ernannt wurde.
Dieser großen Verantwortung und den
vielfältigen Aufgaben als Seelsorger kann er auch weiterhin nur gerecht werden, wenn
immer mehr engagierte Laien ihm nach ihren Möglichkeiten tatkräftig zur Seite stehen.
Wir hoffen, daß es uns allen mit Gottes Hilfe gelingen möge.
Die Glocken unserer Pfarrkirche
Seit Jahrhunderten erfüllen unsere
Glocken neben ihrem kirchlichen Dienst auch andere Aufgaben im alltäglichen Leben unserer
Dorfgemeinschaft und verdienen daher ganz sicher eine nähere Betrachtung ihrer langen,
wechselvollen Geschichte.
Von den drei Glocken, die im Turm
hängen, wurde die große St. Margaretha-Glocke 1423
von Matth. Freywald gegossen, wie aus der
alten Inschrift hervorging. Von ihr wird berichtet, daß sie im Jahr 1711, nachdem sie zerbrochen war, auf dem Anwesen
der Geschwister Schneiders (heute Paul
Schunk) eingeschmolzen und wieder neu gegossen wurde. Weil aber bei einem Umguß mit ca.
5% Schmelzverlust zu rechnen ist, wurde vorher im Ort Kupfer und Zinn gesammelt. Bei
dieser Gelegenheit soll eine Frau aus unserem Ort eine ganze Schürze voll Kupfermünzen
dazugegeben haben. Sie hatte das Gesicht verschleiert um anonym zu bleiben.
Im Jahre 1921 bekam die Glocke beim Dengeln
einen tiefen Riß und mußte erneut umgegossen werden. Dieser Umguß wurde 1922 durchgeführt und kostete, bedingt durch die
große Inflation in dieser Zeit, 2.807.800 DM. Seit alters her ist sie die Totenglocke und kündet durch eine besondere
Läuteart (Klempen) vom Tod eines Gemeindemitgliedes. Die Glocke wiegt 2165 kg
und hat die Tonhöhe des. Sie trägt die Aufschrift:
+ FUSA * SUM * ANNO * MCCCCXXIII*
PROTEKTORE * DEO * ET * PATRONA * BEATA * MARGARETA *
REFUSA * MCMXXII *
ECCE = dni* FUGITE * PARTES * ADVERSE
Gegossen im Jahr 1423
Beschütze (uns) Gott und heilige
Patronin Margareta
Umgegossen 1922
Sehet das Kreuz des Herrn (und) flieht auseinander ihr Mächte des Bösen
Die mittlere ist die Gemeindeglocke. Mit ihrem Ruf zum Angelusgebet
morgens, mittags und abends markierte sie auch den Tagesablauf in einer Zeit ohne Uhren.
Ferner rief sie noch bis in unsere Tage die Bürger zur Gemeindeversammlung. Sie wurde 1493 von Clais
von Echternach gegossen, wiegt 1000 kg und hat die Tonhöhe f. Ihre
Inschrift ist schwer lesbar, von Wackenroder wird sie wie folgt angegeben:
GENOVEVA MAIGRETA HEISEN ICH.
ICH LEUDT DO AE IE UE EH.
DAIS UNRHUS HEISEEN HEAEN*
CLAIS VAN ECHTERNACH GAUS MICH MCCCCXCIII
Ein Riß, der am Pfingstsonntag 1969 festgestellt wurde, konnte zum Glück ohne
Umguß mit einem speziellen Autogen-Schweißverfahren repariert
werden.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch die
kleine Glocke mit abgehängt. Ihr Schlagring war dünn geworden, er konnte mit einem
ähnlichen Verfahren wieder aufgefüllt werden.
In der Bevölkerung hieß sie die
Sturmglocke, weil sie von alters
her alarmierte bei Feuersbrunst, Naturkatastrophen und Kriegsgefahr. Sie wurde am 4.7.1360 gegossen, wiegt 650 kg und hat die
Tonhöhe as. Sie trägt die Inschrift:
* DUM * SONO* REX * CELI * DET * PACEM
* CUIQUE * FIDELI * DATUM *
ANNO * DOMINI * M * CCC * LX *
In CRASTINO * BEATI * THOME *
APOSTOLI.
Solange ich ertöne soll der König des Himmels allen Glaubenden den Frieden
verleihen.
Im Jahr des Herrn 1360
Am Tag nach (dem Fest) des Hl. Apostels Thomas.
Die vierte und kleinste Glocke stammt
aus der Zeit um 1200 und ist wohl mit das
Älteste, was es in unserem Ort gibt. In den Jahren vor 1945 diente sie als Schulglocke. Alle vier Glocken waren im 1.
Weltkrieg wegen ihres hohen Denkmalwertes vor der Abgabe geschützt.
Im 2. Weltkrieg wurden die Kriterien
viel enger ausgelegt und alle Glocken waren gefährdet. Nur durch das Wohlwollen des
Konservators der Rheinprovinz, dem überlegten Handeln der Bistumsverwaltung und dem
klugen Taktieren von Pfarrer Reiter war es gelungen, die Abgabe immer wieder
hinauszuzögern.
Die kleine Schulglocke, die in den
letzten Kriegswochen doch noch als einzige unseren Ort verlassen mußte, wurde zum Glück
aber dann doch nicht mehr eingeschmolzen. Sie konnte nach dem Krieg vom Sammelplatz in
Hamburg wieder zurückgeholt werden. Seit dem versieht sie ihren Dienst als Wandlungsglocke bei der Hl. Messe im Alterraum
unserer Pfarrkirche.
Petrus Mosellanus
Einer der Höhepunkte der
1100-jährigen Geschichte von Bruttig ist zweifellos die Geburt von Peter Schade, genannt Petrus Mosellanus, vor über 500 Jahren. Obgleich
uns Menschen von heute von diesem Mann aus unserem Dorf ein halbes Jahrtausend trennt, so
ist er es dennoch wert, nicht vergessen zu werden. Vielmehr kann eine nähere Betrachtung
von Wesen und Werk des Peter Schade Anregung auch für unsere Zeit sein.
Im Jahr 1493, ein Jahr nach der Entdeckung der neuen Welt
durch Columbus, wird in Bruttig an der Mosel Peter Schade als 14. Kind von Johannes und Catharina Schade geboren. Sein genauer Geburtstag
ist nicht überliefert. Der Vater hatte einen kleinen Kramladen, war Bader und Winzer.
Jedenfalls war die Familie Schade mit Sicherheit nicht reich. Als der Vater dann auch noch
frühzeitig starb, nahm sich dessen in Beilstein lebender Bruder des jungen Peter an und
schickte ihn nach Luxemburg auf die dortige Schule. Dieser Onkel, von dem sonst wenig
bekannt ist, war nämlich der Meinung, daß er: ...mit
eigenen Mitteln dazu beitragen [müsse], daß
ein so trefflicher und in der Zukunft der Welt nützlicher Kopf gefördert werde.
Leider war der Lehrer in Luxemburg
ein trunksüchtiger Tyrann und Peter ging bei passender Gelegenheit nach Limburg, wo die
Schule weit besser war. Allerdings konnte er sich dort nichts durch Nachhilfeunterricht
dazuverdienen, daher wechselte er bald erneut die Lehranstalt und ging nach Trier. Dort
konnte er sich nämlich als Chorknabe ein Zubrot verdienen. Man bedenke, daß er zu diesem
Zeitpunkt keine 16 Jahre alt war, dennoch hatte er schon mehr von der Welt gesehen und
gelernt als die meisten Erwachsenen seines Heimatdorfes zu dieser Zeit.
In Trier sieht er nach eigener Angabe
zum ersten Mal Inschriften auf Griechisch, und er brennt darauf, die Bedeutung jener
Buchstaben zu entziffern. Er muß also unbedingt Griechisch lernen. Daher geht er 1509, mit finanzieller Unterstützung seines
Cochemer Großvaters Johann Schade, nach
Köln, um sich bei der dortigen Universität zu immatrikulieren.
Endlich ist Peter Schade nun an der
berühmten Universität und kann all das lernen, was ihn so brennend interessiert. Mit
Eifer und Fleiß betreibt er seine Studien in Latein und Griechisch und erwirbt sich bald
auch die Freundschaft vieler Professoren. Schon zu dieser Zeit macht er sich Gedanken, wie
er seine eigenen, künftigen Schüler unterrichten soll und worin. Er nennt sich nun, dem
Brauch der Gelehrten seiner Zeit folgend, Petrus
Mosellanus (Peter von der Mosel).
1511 erwirbt er sich den ersten
akademischen Grad, er ist Baccalaurus der freien Künste. Diese umfassen die
lateinische Grammatik (die Gelehrtensprache seiner Zeit), Rethorik, Logik, Geometrie,
Arithmetik, Musik und Astronomie. Er darf nun selbst Vorlesungen für Anfangssemester
halten. Man beachte die Breite seiner Ausbildung! Welcher 18jährige von heute besitzt
denn die Geistesgaben, sich ein solch umfassendes Wissen von Mathematik und Sprache, von
Kunst und Naturwissenschaft anzueignen?
Nur zwei Jahre später wanderte Peter
Schade mit dem Komilitonen Caspar Borner von
Köln über Erfurt nach Leipzig. Sein Freund ging weiter nach Zwickau, er aber wandte sich
nach Freiberg. Dort wurde Kunst, Kultur und Technik durch Sachsens Herzöge und
Kurfürsten gefördert, und es bestand dringender Bedarf an fähigen Lehrern. 1514 übernimmt er das Lehramt an der Lateinschule
von Freiberg und bald sind seine Vorlesungen gut besucht.
Er bringt seinen Schülern, zu denen
auch ältere und hochangesehene Männer der Stadt gehören, die griechische Sprache mit
neuen Methoden und Übungen bei, über die er sich schon zu seiner Kölner Zeit Gedanken
gemacht hatte. Der Freiberger Chronist Dr. Andreas
Möller schreibt 1653 über sein
Wirken:
Dieser berühmte Jüngling, nachdem er von der Universität Cölln ins
Meißner Land sich begeben,
und zu Leipzig eine kurze Zeit aufgehalten, hat er am allerersten zu Freiberg
Griechisch gelesen. Es haben sich damals alte gelehrte und hochansehnliche Personen, darunter etliche Doctores,
Geistlichen und weltlichen Standes gewesen, nicht geschämet, die Griechische Sprache von ihm zu erlernen.
Sein Erfolg in der Lehre erzeugte
allerdings auch Neider, so daß sich das Klima immer mehr verschlechterte und er bereits 1515 Freiberg verläßt, um in Leipzig weiter zu
studieren.
Schon zwei Jahre später wird er dort
1517, d.h. mit nur 23 Jahren (!), zum
Professor für antike Sprachen berufen. Ein Jahr später bringt er seine gesammelten
Lehrerfahrungen und neuen Unterrichtsmethoden in einem Buch heraus, der Paedologia. Eine spätere Auflage dieses Buches
befindet sich heute im Besitz der Gemeinde Bruttig.
Da auch seine theologischen
Vorlesungen über die Paulusbriefe und Schriften des heiligen Augustinus sehr gut besucht
waren, erregte er den Neid der eigentlich für dieses Gebiet zuständigen
Predigermönche, die ihn von der Kanzel herab angriffen. Dies traf Peter Schade hart und
er erwog, an die Universität Wittenberg zu wechseln. Bei einer Reise dorthin hatte er
sogar eine Unterredung mit Martin Luther,
der damals die Gemüter mit seinen Thesen erhitzte. Die Stelle in Wittenberg bekam jedoch
ein Freund von Petrus Mosellanus, Philipp
Melanchton (lateinisch für Schwarzerd), da dieser bereits in konkreten
Verhandlungen mit der Universität um die Professur stand.
Um so freudiger wurde Mosellanus
wieder von seinem Herzog in Leipzig empfangen, der ihn von nun an mehr förderte. Als
Vertrauensbeweis ließ ihn der Herzog 1519 die
Eröffungsrede zur Leipziger Disputation halten, die zwischen den Doktoren der Theologie Martin Luther und Karlstadt einerseits und Johannes Eck andererseits geführt werden sollte.
Es war die Aufgabe von Petrus
Mosellanus, zwischen den beiden Streitparteien zu vermitteln, er sollte die Diskussion
moderieren. Leider mißlang ihm dies gründlich, da beiden Seiten die
versöhnliche und ausgeglichene Art von Peter Schade fehlten und die Fronten viel zu
verhärtet waren. Ihm lag auch die Art und Weise eines zänkischen Streitgesprächs in
Glaubensdingen ganz und gar nicht, wie er in einem Brief an einen Freund bekennt:
...Ich [kann] mich nicht überzeugen, daß der heilige Geist...sich jemals zu solchen Kämpfen herabläßt. Die Wahrheit der christlichen Theologie wird leichter durch Gebet erlangt, als durch Streit gefunden....
Da er sich durch seine besonnene Art
weder von Luther, noch von den katholischen Vertretern völlig vereinnahmen ließ, wurde
er von beiden Seiten für seine Haltung kritisiert. Letztlich blieb er ein treuer
Anhänger der katholischen Lehre, ohne jedoch die kämpferische Art der übrigen Gelehrten
anzunehmen.
Bei einem Besuch seiner Heimat im
Sommer 1519 suchte er auf Wunsch seines
Kurfürsten auch Erzbischof Richard von Greifenklau
in Trier auf. Diesem widmete er eine Übersetzung der griechischen Werke von Gregor von Nazianz. Außerdem berichtete er über
den Verlauf der kürzlich beendeten Disputation, deren erfolgloser Moderator er gewesen
war. Über Erfurt und Meißen gelangte er im Frühjahr 1520 wieder nach Leipzig, nachdem die Pest dort
wieder verschwunden war.
In diesem Jahr wurde er nun auch
Magister der Philosophie und Mitglied im großen Fürstenkollegium. 1521 wird er mit nur 28 Jahren zum Rektor der
Universität Leipzig berufen. Das er 1523
erneut dieses Amt bekleidete, zeugt von der hohen Wertschätzung, die er sich erworben
hatte.
Aber nur ein Jahr später, am 19.4.1524, stirbt Peter Schade mit 31 Jahren nach längerer Krankheit. Melanchton, den man später den Praeceptor Germaniae (Lehrer Deutschlands) nannte, wollte ihn erstmalig besuchen als er auf einer Durchreise in Leipzig war und fand ihn im Sterben. Sein Tod kommt für seine Freunde und die Gelehrtenwelt völlig überraschend. Erasmus von Rotterdam, Julius von Pflug, Georg Agricola, Melanchton und viele andere sind tief getroffen über den Verlust ihres gelehrten Freundes. Später heißt es auf einer Bildunterschrift eines Gemäldes in der Leipziger Universität:
Ein
Jüngling, Zierde unseres Jahrhunderts, ein unvergeßlicher Schmuck dieser
Universität.
Diese Einschätzung wurde von den
Gelehrten jener Zeit geteilt, wie aus ihren Briefen hervorgeht.
Der Humanismus versuchte an die
Stelle der erstarrten Lehrformen (Scholastik) des Mittelalters eine auf den Menschen
(lateinisch: humane) gerichtete Ausbildung und Vervollkommnung zu vermitteln, ohne jedoch
vom christlichen Weltbild abzuweichen. Als ideales Vorbild galt die Blüte der
griechisch-römischen Kunst und Wissenschaft.
Während man sich südlich der Alpen
mehr mit der künstlerischen Seite der Antike beschäftigte (Dante, Petrarca, Boccaccio, Plethon, Papst Pius II., Valla, etc.), war das Bestreben der
Humanisten nördlich der Alpen mehr auf gründliche Ausbildung ihrer selbst und ihrer
Schüler gerichtet. So waren zum Beispiel Melanchton,
Reuchlin, Erasmus von Rotterdam, Agricola usw. alles Professoren, die Bücher zur
Ausbildung der Jugend veröffentlichten, welche lange Zeit als Standartwerke ihres
Gebietes benutzt wurden.
Petrus
Mosellanus war neben Nikolaus Cusanus (Nikolaus Krebs aus
Bernkastel-Kues) und Johannes Trithemius
(Johannes Heidenberg aus Trittenheim) einer jener drei Humanisten, die von der Mosel kamen
und deren Ausbildungs- und Erziehungsmethoden auch heute nichts von ihrer Aktualität
eingebüßt haben.
In Zeiten einer immer stärker
werdenden Spezialisierung in allen Bereichen eines immer hektischeren Lebens, ist ein
breit angelegtes Grundlagenwissen, verbunden mit einer Erziehung zu innerer Ruhe und
künstlerischer Entfaltung, ein solides Fundament, auf das auch die heutige Jugend bauen
kann. Gerade an der Schwelle zum 21. Jahrhundert brauchen wir Menschen von heute die
Qualitäten jenes Mannes, der vor über 500 Jahren in unserem Ort geboren wurde. Denn sein
Wahlspruch: Docti discimus!
(Erst selbst gelernt, dann andere gelehrt.) ist auch heute noch so richtig wie
damals.
Über Leben und Werk des Petrus
Mosellanus sind bereits mehrere Schriften erschienen:
Petrus Mosellanus - ein vergessener Moselhumanist
Schober, R., Görres-Verlag Koblenz, 1979
Festschrift zur 500-Jahrfeier von Petrus Mosellanus
Gemeinde Bruttig-Fankel, 1993
Gereon Ostermann
Weitere Informationen zu Petrus Mosellanus finden Sie auf der Homepage www.petrus-mosellanus.de
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