Zur Geschichte von Bruttig-Fankel

Auszug aus der Festschrift zur 1100-Jahr-Feier

Schunck´ches Haus in Bruttig-Fankel

Bruttig-Fankel an der Mosel - ein Weinort mit Geschichte



Es begann vor 1100 Jahren

 

Am Pfingstfest, dem 4. Juni des Jahres 898 ist der Weinort Bruttig offiziell in die Geschichte eingetreten. Unter diesem Datum erscheint die erste urkundliche Erwähnung unseres Dorfes „Pruteca im Mayengau“ in einer Schenkungsurkunde des lothringischen Königs Zwentibold zu Gunsten des reichsunmittelbaren, freiadligen Frauenklosters in Essen.

 

Wie aus dem Stammbaum der Karolinger zu ersehen ist, war Zwentibold als Halbbruder von Ludwig dem Kind einer der letzten Herrscher dieses Hauses.

Arnulf von Kärnten hatte sich unter den Enkeln Ludwigs des Deutschen in den Auseinandersetzungen um die Reichsmacht durchgesetzt und errang nach seinem zweiten italienischen Feldzug 896 in Rom schließlich auch die Kaiserwürde.

Schon im Jahr 889 hatte Arnulf mit Zustimmung der Großen des Reiches seine beiden nichtehelichen Söhne Zwentibold und Ratold als erbberechtigte Nachfolger bestimmt für den Fall, daß seine Ehe söhnelos bleiben sollte. Mit der Geburt seines Sohnes Ludwig im Jahr 893 war diese Verfügung jedoch gegenstandslos geworden.

Er entschädigte Zwentibold damit, daß er ihm noch im gleichen Jahr die Ehrenzeichen eines Teilkönigs von Lothringen verlieh, und die Reichsständeversammlung zu Worms übertrug ihm auf Vorschlag seines Vaters Arnulf im Jahre 896 das Land zwischen Mosel und Maas sowie einige Gebiete auf der rechten Rheinseite zu seinem Herrschaftsgebiet. Er berief nach seiner Krönung den Bischof von Trier zu seinem Erzkanzler und den Bischof von Köln zu seinem Erzkaplan. Durch großzügige Schenkungen von Königsland und Vergabe von Privilegien wie Markt und Zoll an Klöster und Abteien im jeweiligen Herrschaftsgebiet der beiden Bischöfe, die ja neben ihrem geistlichen Amt auch weltliche Fürsten waren, versuchte Zwentibold seine Königsmacht abzusichern.

 

In diesem Zusammenhang muß auch die Schenkungsurkunde vom Pfingstfest 898 gesehen werden. Neben zahlreichen Besitzungen im Raume Köln und Bergheim überträgt der König dem Kloster in Essen: „...in pago magnensi in villa pruteca terra arabilis cum curtile et vineis...“ (...im Mayengau, im Dorfe Bruttig einen Hof mit zugehöriger pflügbarer Erde und Weinbergen...).

Dieses Frauenstift war 852 vom Hildesheimer Bischof Altfried, der auch ein großer Staatsmann und Hauptberater von König Ludwig dem Deutschen war, gegründet worden. Es war nur dem Reich unterstellt und den Töchtern aus dem Hochadel vorbehalten. Als erste Äbtissin hatte Altfried seine Schwester Gerswida  eingesetzt. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, daß der König im Jahre 898 dem Trierer Erzbischof Ratbod eine Urkunde ausstellte in der festgeschrieben war, daß der gesamte kirchliche Besitz an Klöstern, Kirchen, Höfen, Ländereien und den dazugehörenden Familien sowie allem, was die fränkischen Könige und andere Wohltäter der Trierer Kirche geschenkt hatten, von der weltlichen Gerichtsbarkeit ausgenommen war. Der Erzbischof und seine Nachfolger waren von da an die obersten Gerichtsherren in ihrem Gebiet.

Alle diese Rechte wurden 947 von Kaiser Otto I. bestätigt. Als besonderer Grund für diese Begünstigung gab der Kaiser unter anderem an: „...weil Trier die älteste Kirche unseres (d.h.: des deutschen) Reiches ist.“

 

Trotz all seiner Bemühungen gelang es Zwentibold nicht, die zahlreichen Adelsfamilien in seinem Herrschaftsgebiet für sich zu gewinnen. Zu groß waren die Eigeninteressen und Herrschaftsansprüche der führenden Geschlechter und so kam es im Dezember 899 zum offenen Aufstand gegen ihn. Beim Versuch, diesen gewaltsam niederzuschlagen, fiel Zwentibold am 13.8.900 an der Maas.

 

Wenn wir nun die Bruttiger Schenkung näher betrachten wollen, müssen wir leider feststellen, daß bis heute keine weiteren Urkunden darüber gefunden worden sind. Wir wissen nicht, ob und wie lange das Essener Kloster den Hof in Bruttig bewirtschaftet hat. Ebensowenig ist es uns möglich, den Standort des damaligen Hofes näher zu bestimmen. Was wir aber aus dieser Schenkungsurkunde zweifelsfrei entnehmen können ist die Tatsache, daß unser Ort Bruttig wahrscheinlich sogar älter als 1100 Jahre ist, denn sonst hätte die Urkunde nicht von einem (schon bestehenden) Hof mit zugehörigem Ackerland und Weinbergen berichten können.

 

 

Die Frühgeschichte unseres Ortes

 

Zeittafel der Geschichtsepochen:

 

ältere Steinzeit:

30 000

bis

10 000

vor Christus

mittlere Steinzeit:

10 000

bis

5 000

vor Christus

jüngere Steinzeit:

5 000

bis

1 800

vor Christus

Bronzezeit:

1 800

bis

1 000

vor Christus

Eisenzeit:

1 000

bis

50

vor Christus

Römerzeit:

50

vor      bis

400

nach Christus

 

Die ältesten Zeugnisse von der Besiedlung in unserem Ort sind wohl die sehr gut erhaltenen Hügelgräber auf dem Bruttig-Fankeler Berg entlang des Rennweges. Nach Aussage von Dr. Wegner vom Landesamt für Denkmalpflege in Koblenz, stammen diese Gräber teilweise noch aus der Bronzezeit.

 

Im Distrikt Wolfskaul überquert eine alte Landwehr den Rennweg. Wall und Graben sind auf eine größere Strecke hin gut zu erkennen. Diese Landwehr befindet sich an der schmalsten Stelle des Höhenrückens. Das links und rechts abfallende Gelände war als natürliches Hindernis in Verbindung mit der Landwehr der beste Schutz vor kriegerischen Überfällen. Der Rennweg selbst ist ein Teilstück der Verbindungsstraße zwischen der vorrömischen Heerstraße Trier-Neuwieder Becken und Trier-Koblenz bzw. Bingen.

 

Auf Anregung des Landesamtes für Denkmalpflege hat der Gemeinderat von Bruttig-Fankel im vergangenen Jahr einstimmig beschlossen, den Rennweg als archäologischen Wanderweg auszubauen. Dabei ist vorgesehen, die Hügelgräber etwas freizustellen, die Zuwegung zu den einzelnen Gräbern herzurichten und an geeigneten Stellen Informationstafeln aufzustellen mit zeichnerischen Darstellungen der Grabbefunde, Bestattungsart, Grabbeigaben etc. Bei der Landwehr ist daran gedacht, das Grabensystem auf einer Teilstrecke wiederherzurichten und mit der ursprünglichen Bepflanzung zu versehen. Es handelt sich dabei um dicht gewachsene und miteinander verflochtene dornige Hecken. Damit könnte die Undurchdringlichkeit und der Abwehrcharakter dieser alten Verteidigungsanlage anschaulich demonstriert werden.

 

Interessant ist auch das Hohlwegesystem, das vom Moseltal heraufkommt und vom Rennweg mit aufgenommen wird. An dieser Stelle soll ebenfalls eine Schautafel aufgestellt werden, auf der diese mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wege sowie das Transportwesen und die Handelsverbindungen aus jener Zeit dokumentiert wird.

 

Von der Erschließung dieses archäologischen Wanderweges profitiert die Bevölkerung unseres Ortes nicht nur dadurch, daß Heimatgeschichte für uns noch mehr anschaulich und erlebbar wird, sondern auch durch die Möglichkeit, daß so ein Vorzeigeobjekt ein zusätzlicher Magnet für den Tourismus sein könnte. Das gilt besonders für die Gäste, die ihren Urlaub aktiv durch Spaziergänge, Wanderungen und Radtouren naturnah erleben wollen. Dem Landesamt für Denkmalpflege, das die Gemeinde zu diesem Vorhaben angeregt hat und die Maßnahmen wissenschaftlich begleitet und tatkräftig unterstützt, sei an dieser Stelle ganz herzlich für sein Engagement gedankt.

 

Wer waren nun diese Menschen, die in grauer Vorzeit hier bei uns siedelten? Während der Altsteinzeit scheint unsere Gegend noch wenig bewohnt gewesen zu sein. Nur eine Wohnstätte aus dieser Zeit ist in unserem Kreis bekannt. Es ist die Höhle der Falkenlay bei Kennfus. Gräber und Tonscherben aus der Jungsteinzeit sind aus Müden bekannt, und in Lieg, im vorderen Hunsrück, fand man zwei Steinbeile aus der gleichen Epoche.

Aus der Bronzezeit stammt das große Hügelgräberfeld am Rennweg auf der Freiheit. Noch 1950 war der größte Grabhügel weithin sichtbar, wie auf der Abbildung im Jahrbuch für den Kreis Cochem aus dem gleichen Jahr gut zu erkennen ist. Zu diesem Gräberfeld schreibt Dr. Wegner vom Landesamt für archäologische Denkmalpflege in Koblenz:

 

Im Gelände nur noch als einzelner, flacher Grabhügel erkennbar ist der Rest eines ehemals wesentlich größeren Grabhügelfeldes vermutlich der ausgehenden Spätbronze- und beginnenden Eisenzeit (11. Jh. - 8. Jh. v.Chr.). Durch intensive landwirtschaftliche Nutzung sind im Laufe der Zeit diese Grabhügel nahezu vollständig abgetragen und eingeebnet worden. Ursprünglich hatten die Grabhügel einen Durchmesser von etwa 12m - 16m und eine entsprechende Höhe von bis zu 1,5m. Einzelne Hügel dieser Zeit erreichen auch einen Durchmesser von bis zu 30m und eine Höhe von 2m.

Bronzezeitliche Grabhügel waren häufig ausgestattet mit einem Steinkranz, der den Fuß des Hügels umzog und den Hügel begrenzte. Von der bisweilen auch als Trockenmauer aufgesetzten, niedrigen Hügelumfassung ist indessen hier nichts mehr erhalten. Die Grabhügel enthielten in der Regel Einzelbestattungen, die im Zentrum des Hügels niedergelegt waren. Sie waren häufig durch eine Grabkammer aus Feldsteinen oder Holzbalken geschützt.

Die datierenden Hinweise sind überwiegend aus den spärlichen Grabbeigaben dieser Zeit zu entnehmen und als Oberflächenfunde aus den eingeebneten Grabhügeln aufgelesen worden. Während die Spätbronzezeit insbesondere in Norddeutschland und Nordeuropa gut ausgeprägt ist, gehen wesentliche Einflüsse und Impulse für unsere Region im nördlichen Mittelrheingebiet während dieser Stufe hauptsächlich von den süddeutschen und den westeuropäischen Kulturgruppierungen dieser Zeit aus.

So ist auch das einheitliche Totenritual charakteristisch, das die Körperbestattung unter einem Grabhügel vorsieht. Der Tote erhält je nach Geschlecht Waffen bzw. Bronzeschmuck mit in das Grab. Dolch, Beil oder Lanze und Schwert werden üblich. Aber auch Nadel, sowie Arm- und Beinschmuck sind typisch. Durchbrochene, scheibenförmige Bronzeanhänger werden an Kettchen oder gewundenem Draht getragen. Sie sind aber selten. Die Grabausstattung ist unterschiedlich. Neben einfachen Gräbern treffen wir in dieser Zeit auch auf reichere Bestattungen, die auf eine höhergestellte Adelsschicht schließen läßt.

Im Rhein-Moselgebiet bildet sich als Regionalgruppierung die sogenannte „Mittelrheinische Gruppe“ heraus, die zur beginnenden Eisenzeit in Hunsrück und Eifel als „Laufelder Gruppe“ ihre eigene Ausprägung zeigt.

 

Die anderen, schon erwähnten Hügelgräber, sind der Eisenzeit zuzuordnen. Aus dieser Zeit wissen wir mit Sicherheit, daß spätestens im 6. Jahrhundert vor Christus die Kelten die vorherrschende Bevölkerung war. Deshalb nennt man diese Gräber auch Keltengräber.

 

Das Volk der Kelten bestand aus indogermanischen Stämmen und beherrschte im Altertum große Teile Europas, hauptsächlich nördlich der Alpen. Neben den Römern bildete es die zweite Hochkultur der damaligen Zeit in Mitteleuropa. Sie war stark geprägt und durchdrungen von griechischen Einflüssen. Insgesamt gesehen ist der heutige Wissensstand von den Siedlungs- und Lebensgewohnheiten der Kelten allerdings noch sehr lückenhaft und zum Teil auch widersprüchlich.

So nimmt man einerseits an, daß die Höhenlagen der Moselberge, sowie Eifel und Hunsrück bevorzugte Siedlungsgebiete waren und verweist mit Recht auf die Gräber, Wege und Verteidigungsanlagen auf den Höhenzügen. Ganz besonders scheint die ehemalige keltische Tempelanlage auf dem Martberg bei Pommern darauf hinzuweisen. Aber andererseits deutet auch vieles darauf hin, daß schon die Kelten den Weinbau an der Mosel betrieben, bevor die Römer in unser Land kamen. Schließlich ist in den unteren Flurterassen (der „Mark“) das Klima milder, der Anschwemmboden fruchtbarer und das Obst viel früher reif als in der Eifel oder auf dem Hunsrück. Ferner ist nicht einzusehen, warum man auf der Höhe das lebensnotwendige Wasser aus tiefen Brunnen fördern sollte, wo es in 1-2 km Entfernung im Tal immer und in jeder Menge für Mensch und Vieh zur Verfügung stand.

 

Ein weiterer Hinweis darauf, daß unser Ort bereits eine keltische Siedlung war, ergibt sich aus dem Namen Bruttig selbst. Die Sprachforscher leiten den heutigen Namen ab vom keltischen Bruti-acum (d.h.: Wohnung des Brut) über das lateinische Proteca (898 n.Chr.), Prodecha (1250 n.Chr.) zum heutigen Pruttig / Bruttig.

Die Siedlung als solche darf man sich jedoch nicht im Sinne des heutigen Dorfes vorstellen. Die Kelten siedelten in Form von Einzelgehöften inmitten oder in unmittelbarer Nähe ihres Besitzes. Die Frage, ob diese Siedlungen nun im Tal oder auf der Höhe stattfanden, muß wohl in der Weise beantwortet werden, daß wahrscheinlich damals wie heute beides nebeneinander existierte.

 

Es bleibt dann nur die Frage, warum man im Moseltal keine Zeugnisse aus der Keltenzeit findet. Das könnte wohl damit zusammenhängen, daß die wenigen in Frage kommenden Acker-, Garten- und Weinbauflächen in den letzten 2000 Jahren viel intensiver gerodet und rigolt wurden, als das bei reinem Ackerland üblich ist und somit eventuelle Spuren aus dieser Zeit vernichtet wurden.

Weiter ist zu bedenken, daß zur damaligen Zeit die Ufer der Mosel viel flacher und tiefer lagen, als wir sie heute kennen. So hat man zum Beispiel in Karden an Hand der vorgefundenen Kulturschichten festgestellt, daß vor 2000 Jahren das Ufergelände etwa 4 m tiefer lag. Durch nachrutschendes Gelände befinden sich daher die Zeugnisse jener Zeit in Tiefen, die sich nur durch gezielte Suche erschließen lassen.

 

 

 

 

Der Übergang in die römische Zeit

 

Seit den Jahren um 300 v.Chr. wurden die Kelten immer wieder durch germanische Stämme von Norden her angegriffen und verdrängt. Das Reich der Kelten verlor an Bedeutung und als Julius Cäsar 58-51 v.Chr. das Rheinland für Rom eroberte, fand er in unserem Raum eine keltisch/germanisch Bevölkerung vor, die sich Treverer nannten und sich zu den germanischen Stämmen rechneten. Auch diese Zeit hat in unserem Ort greifbare Spuren hinterlassen, wie die nachfolgend beschriebenen Funde überzeugend belegen.

 

Eine Siedlung aus römischer Zeit befand sich im Distrikt Wertchen, dem erweiterten Quellgebiet des Kabeiner Baches. An dieser Stelle fand man um die Jahrhundertwende umfangreiche Mauerreste einer römischen Villa, sowie einen Fußboden aus roten Platten. Ferner fand man an dieser Stelle die Reste eines Schwertes oder Dolches, römische Münzen, ein dolchartiges Messer und in einem zerbrochenen Topf einen hellen, durchsichtigen Gegenstand von etwa 300 g Gewicht. Er war eiförmig, hatte jedoch zugeschliffene Kanten (Facetten) und ließ sich nicht ritzen. Es handelte sich möglicherweise um einen Anhänger aus Bergkristall. Leider ist der größte Teil der Siedlungsstelle durch den Ackerbau zerstört worden. Es wäre dringend erforderlich, die noch vorhandene kleine Fläche jetzt zu schützen, bevor dieses Boden- und Kulturdenkmal für immer verloren geht.

 

Im Jahr 1917, beim Bau der geplanten rechtsufrigen Moselbahn, wurden in der Nähe des Tunneleinganges auf der Treiser Seite Reste einer römischen Ansiedlung mit Gebäuden und Gräbern angeschnitten. Ferner wurden Pfahlroste aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts freigelegt, die vermuten ließen, daß an dieser Stelle eine Brücke über die Mosel führte. Lehrer Fröhlich aus Karden berichtete im Jahrbuch für den Kreis Cochem von 1950 darüber. Diese Vermutung hat sich allerdings nicht bestätigt, da beim späteren Moselausbau keine weiteren Funde gemacht wurden, die auf das Vorhandensein einer Brücke hingedeutet hätten. Es ist wohl eher anzunehmen, daß diese Holzpfählungen einem Moselübergang in Form von Anlegestellen für Schiffe oder einer Fähre gedient haben. Von hier aus führte auch der Verbindungsweg durch den Distrikt Herrenwäldchen und Pommerheck zu dem schon erwähnten Rennweg.

 

Im Hof des Klosters Engelport steht ein Steinsarg, der in den Jahren um 1925 bei Rodungsarbeiten in den klostereigenen Weinbergen in der Gemarkung Bruttig gefunden wurde. Leider gibt es keine weiteren Berichte über die näheren Umstände und den genauen Fundort. Möglicherweise stammt dieser Steinsarg ebenfalls aus römischer Zeit.

 

Ganz sicher aus jener Zeit war dagegen die Ruine eines römischen Badehauses, die gegenüber Fankel am Fuß der Weinberge im Distrikt Kahl („Kälchen“) stand und 1833 beim Bau der Bundestraße 49 abgerissen wurde. Die Gegenstände, die man dort noch fand, kamen in das damals königlich-preußische Gymnasium, das heutige Görres-Gymnasium in Koblenz. Im Jahresbericht von 1835 ist unter dem Eintrag vom 20. Februar vermerkt:

         „...Es wurde uns eine kleine Doppelfigur von Amor und Psyche und ein kleines Soldatenbeilchen überlassen, welches vor einiger Zeit gegenüber dem Dorfe Fankel gefunden wurde...“

 

Nachdem die Römer unser Gebiet erobert hatten, bauten sie die alten, vorgeschichtlichen Fernverbindungen zu besseren Wegen aus und legten auch neue an, um in ihrem riesigen Reich sowohl Truppenbewegungen und Nachschub der Soldaten, als auch Reise und Handel schneller abwickeln zu können. Auch die Mosel wurde als Reise- und Transportweg genutzt.

 

An geeigneten Stellen wurden Gutshöfe angelegt, um die Versorgung der römischen Verwaltung und des Militärs zu gewährleisten. Die bäuerliche Bevölkerung wohnte in der Nähe dieser Gutshöfe. Dörfer im heutigen Sinn hat es damals sicher nicht gegeben. Außer den Soldaten, Verwaltungsbeamten und Kaufleuten nahmen nur wenige Römer in den eroberten Gebieten ihren Wohnsitz. Nur langgediente Soldaten und Beamte, die sich sehr um den römischen Staat verdient gemacht hatten, wurden oft mit Landbesitz in diesen Gebieten belohnt. Eine Kolonisation im eigentlichen Sinne hat es daher auch nicht gegeben.

 

Für den Moselweinbau bedeutet dies, daß er schon vor den Römern hier heimisch gewesen sein muß. Wie sonst hätte er in der relativ kurzen Zeit diese einheitliche Art und lückenlose Ausdehnung des Anbaus erfahren können, die der Dichter Ausonius (310-395) in seiner Mosella besingt? Unzweifelhaft ist allerdings, daß die römische Kultur einen starken Einfluß auf die gesamte Weinkultur an der Mosel ausgeübt und das Vorhandene weiter verfeinert hat. Die Annahme des vorrömischen Weinanbaus wird auch dadurch bestärkt, daß man gegen Ende des 1.Jahrhunderts den Weinanbau in den von Rom besetzten Provinzen behinderte (Edikt von Kaiser Domitian). Erst 279 wurde der Weinbau an der Mosel durch Kaiser Probus wieder erlaubt.

 

Auf Dauer gelang es den Römern nicht, das Land zu befrieden. Immer wieder mußten sie sich gegen einfallende germanische Stammesverbindungen verteidigen. Diese nannten sich, im Gegensatz zu den Stämmen in den besetzten Gebieten, Franken (d.h.: die Freien). Im großen Frankensturm von 275-276 zerstörten sie 60 Ortschaften und Städte, darunter auch das reiche Trier. Weitere Überfälle folgten und so mußte Rom den Rhein 406/407 als Grenze wieder aufgeben. In der Folgezeit kam es zu einem ungehinderten Zuzug der Franken in das Rhein- und Moselgebiet und zu einer Verdrängung der römischen Oberschicht.

 

Vieles was noch nicht zerstört war, fiel dann den Hunnen zum Opfer. Diese, aus der weiten Steppe Asiens kommend, brachen wie ein Orkan über Westeuropa herein und stießen bis nach Orleans im heutigen Frankreich vor. Im Jahr 451 überquerten sie den Rhein und kamen dabei auch in unsere Gegend. Im Jahr 476 zerbrach das römische Weltreich, durch innere Zerüttung und äußere Feinde geschwächt, dann endgültig.

 

 

 

 

Die Merowingerzeit

 

Die Franken, die in unserer Gegend einwanderten, legten neue Siedlungen in Flußnähe und eigene Begräbnisplätze an. Auch sie hinterließen, wie vorher schon die Römer, Zeugnisse ihrer Anwesenheit in unserem Ort.

 

In Fankel fand man 1935 im Bereich der heutigen Moselstraße mehrere, in Reihen liegende Skelette.

Im November 1977 wurden bei Planierungsarbeiten im Rahmen der Flurbereinigung oberhalb von Fankel, an der Straße nach Beilstein, mehrere Gräber entdeckt, die unregelmäßig angeordnet und ohne Beigaben waren.

Etwa 80m davon entfernt, im Distrikt Oberstaat, wurde zur gleichen Zeit eine ganze Anzahl Gräber freigelegt, die regelmäßig, mit einem Seitenabstand von durchschnittlich 2m lagen. Die Grabgruben hatten eine Ausdehnung von etwa 2m ´ 1m und eine Tiefe von 0,6m. In sieben Gräbern waren die Skelette noch gut erhalten. Die Gräber waren angeblich nach Westen orientiert und sollen Langschwerter, Dolche und eine Spange aus Bronze enthalten haben. Zwei Grabstellen waren Steinplattengräber, die ohne Beigaben waren.

 

Hinzu kommt noch ein zweischneidiges Messer (Sax) als Einzelfund und ein sogenannter Knickwandbecher, der vermutlich aus einem Grab stammt. Dieser Becher, der 1974 auf dem Töllen gefunden wurde, wird als tongrundig und rauhwandig beschrieben, die Oberfläche ist beige mit grauen Flecken. Er ist 8,5 cm hoch, hat einen Durchmesser von 10,9 cm und ist noch ganz erhalten. Alle genannten Gegenstände stammen mit Sicherheit aus der Zeit zwischen 500 und 800 und befinden sich heute im Privatbesitz der Finder.

 

Nach dem Untergang des römischen Weltreiches hatte sich Chlodwig I. (482 - 511) von den salischen Franken unter den germanischen Stämmen durchgesetzt und erhob das fränkische Königreich zur führenden Macht in Westeuropa. Er war ein Nachkomme von Merowech, daher der Name Merowinger.

Nach der Machtübernahme durch die Franken wurde der Grund und Boden der eroberten Gebiete neu verteilt. Die festen Siedlungen mit Ackerland, Weinbergen und den großen Wälder wurden Königsland, den Rest verteilte der König auf seine Heerführer und Mannen je nach Rang und Verdienst. Auch in unserem Ort muß ein großer Teil der Gemarkung Königsland gewesen sein, denn sonst hätte es Zwentibold später nicht an das Klosterstift verschenken können. An zentralen Stellen wurden Königspfalzen errichtet, sie dienten als Aufenthaltsort für die königliche Familie während deren Reisen durch das Reich.

 

Von der kelto-romanischen Bevölkerung, die hier geblieben war, übernahmen die neuen Herren auch den Weinbau, der ihnen bis dahin fremd war. Nachdem sich ihr König Chlodwig I. im Jahr 496 hatte taufen lassen, traten auch die Franken zum Christentum über. Die Könige der Merowinger standen bald in einem sehr engen Verhältnis zur Religion und zur Kirche, und so kam es schon sehr früh immer wieder zu großzügigen Schenkungen von Grundbesitz, Zoll- oder Nutzungsrecht an Bischofskirchen und Abteien.

 

 

 

 

 

Die Karolingerzeit

 

Mit dem Übergang der Königswürde auf Karl den Großen und seiner Krönung zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches durch den Papst wurde die Bindung zwischen Kirche und Staat noch enger. So wurde das Zehntrecht, welches sein Großvater Karl Martell schon teilweise eingeführt hatte, zugunsten der Kirche neu geregelt und für das ganze Reich festgeschrieben. Auch das schon bestehende Lehnswesen weitete sich immer mehr aus.

 

Die Gesamtheit aller Lehnsherren und Lehnsnehmer glich im Aufbau einer Pyramide. Ihre Spitze bildete der König als oberster Lehnsherr. Dann folgten unter ihm die großen weltlichen und geistlichen Vasallen des Reiches, die Herzöge, Markgrafen und Grafen sowie die Bischöfe und Äbte. Diese wiederum gaben ihr unmittelbar vom König erhaltenes Lehen teilweise als Unterlehen an den niederen Adel (Ritterstand) weiter. Von diesen lehnten (pachteten) die einfachen Bürger dann wieder Wiesen, Äcker und Weinberge etc.

In der Hauptsache bestanden die Lehen der Feudalherren allerdings in Nutzungsrechten an Wald, Wiesen, Äckern, Weinbergen, Fischerei und Jagd sowie aller Einnahmen aus dem Gerichtswesen, wie zum Beispiel Gebühren beim Grundstücksverkehr, Erbsachen, Gerichtskosten und Bußgeldern. So war das Lehnswesen eine tief in die Bevölkerung hinabreichende Kette, welche hoch und niedrig, Weltliche und Geistliche miteinander verband.

 

Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich auch die rechtliche Stellung der einheimischen Bevölkerung stark verändert. In den Zeiten der Eroberung durch die Römer und auch bei der Landnahme durch die Franken war der Einzelne wohl nur ein Leibeigener der jeweiligen Herrschaft und wurde auch, wie Inventar, mit dem Hof verkauft und verschenkt. Um die Jahrtausendwende und in den ersten Jahrhunderten danach war das schon anders. Auch der einfache Bürger hatte etwas eigenen Grundbesitz und was ihm zum Lebensunterhalt fehlte, konnte er von den weltlichen und geistlichen Herren dazupachten.

 

Ganz besonders wichtig war der Grundbesitz der Gemeinde. Im Rahmen der Fürsorge für die Bürger konnte sie bei steigendem Bedarf immer wieder Waldflächen zur Rodung freigeben und an sie verkaufen oder aber ihnen diese gegen geringe Gebühr als Bürgerteile zur Verfügung stellen. Dieser private Grundbesitz und die frühen Formen von kommunaler Selbstverwaltung innerhalb des Feudalsystems beschleunigten wohl die Entwicklung hin zu einer „halbfreien“ Gesellschaft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundbesitzer in Bruttig nach der Jahrtausendwende

 

Nachfolgend ist nur eine kurze Auflistung gegeben, eine umfassende, wissenschaftliche Auswertung der genaue Besitzverhältnisse aus dieser Zeit fehlt leider bis auf den heutigen Tag.

 

Ob das schon erwähnte Kloster in Essen seinen Besitz in Bruttig noch hatte, ist nicht bekannt.

 

Die Abtei Springiersbach erwirbt 1120 - 1162 Grundbesitz.

 

Das Stift St. Kunibert in Köln verkauft 1252 seine Güter in Bruttig an die Abtei Himmerod, die hier schon Güter hatte.

 

St. Pantaleon in Köln besaß seit dem 13. Jahrhundert einen Hof und hat ihn bis zur Säkularisation bewirtschaftet. Das Hofhaus stand in der Herrenstraße.

 

Die Gemeinde verkauft dem Kloster Maria Engelport 1315 den „Bar-Berg“. Dr.Norbert Pies hat dankenswerterweise zur Geschichte des Klosters Engelport ein eigenes Büchlein herausgegeben: Bruttig-Fankel und Kloster Maria Engelport. Ein Beitrag zur 1100-Jahrfeier der Gemeinde.

 

Als weitere Grundeigentümer sind zu nennen: Die Abtei Siegburg, die Klöster und Stifte Rosenthal, Stuben, St. Kastor in Karden und St. Florin zu Koblenz.

 

An Adelsbesitz ist u.a. nachzuweisen: Der Markgraf von Baden, die Grafen von Virneburg, die Herren von Ulmen, Arras, Isenburg und die Grafen zu Eltz. Der Flurname Auf dem Krein deutet auch auf Besitzungen der Gryn von Treis hin.

 

 

 

 

Grundherrschaft und Rechtswesen

 

Das Gebiet um Cochem und damit auch unser Ort war um die Jahrtausendwende in der Hand der Pfalzgrafen bei Rhein. Diese belehnten nun andere Adelsfamilien mit der Grundherrschaft und der Vogtei einzelner Orte, die, wie schon erwähnt, mit den entsprechenden Einnahmen verbunden waren. 1220 ist das in Fankel Emelrich von Monreal.

1282 streiten die Verwandten Eustach von Monreal und Emelrich von Fankel (Monreal) wegen des Patronatsrechts (das Recht, einen Pfarrer einzusetzen) in Bruttig. Ersterer verkauft seinen Anteil am Zehnten von diesem Recht an Emelrich von Fankel. Man kann wohl daraus schließen, daß auch Teile des Ortes Bruttig zu dem Lehen der Familie von Monreal gehörte.

 

Daneben erscheinen aber auch die Ritter von Ulmen und hauptsächlich die Grafen von Sponheim als Vogtherren von Bruttig. Als dann 1346 Cuno Walpod zu Ulmen seinen Anteil an den Trierer Kurfürst Balduin verkauft, werden die Verhältnisse immer verworrener und führen zu einem jahrhundertelangen Streit zwischen dem Erzbischof und den Grafen von Sponheim. Beide Seiten versuchten immer wieder, ihre Rechte auf Kosten des anderen auszudehnen.

Auch die Verträge, die man in dieser Angelegenheit 1489 und 1507 geschlossen hatte, konnten daran nicht viel ändern. Im Vertrag von 1507 hatte Sponheim ganz auf die Ansprüche aus der Grundherrschaft verzichtet und behielt nur die Vogtei. In normalen Jahren konnten sie dafür in Bruttig „7 Fuder Bedewein (Wein als Steuerabgabe) heben“, an Fastnacht aus jedem Haushalt („berauchtes Haus“) ein Huhn („Fastnachtshuhn“) und einen Eimer Wein („Rauchwein“), sowie im Herbst etwas Viehfutter. Mit diesem Vertrag war auch ein gemeinsames Gericht gebildet worden, in dem Schultheiß und Vogt gleichberechtigt zusammen Recht sprechen sollten. Den Vorsitz hatte man abwechselnd.

Sponheim stellte seinem Vogt 7 Schöffen zur Seite, die aber auf beide Herren vereidigt wurden. Auch diese Regelung konnte den alten Streit auf Dauer nicht beilegen. Im Gegenteil, die Sponheimer, die zum Protestantismus übertraten, gingen dazu über, Schöffen von auswärts für das Gericht in Bruttig zu benennen. So kam es vor, daß protestantische, ortsfremde Schöffen, darunter auch Söhne von Pfarrern, über katholische trierische Untertanen zu Gericht saßen. Diesem Treiben konnte der Trierer Bischof nicht tatenlos zusehen und so spitzte sich die Lage immer mehr zu, so daß im Jahr 1607 ein Waffengang zwischen Trier und Sponheim unausweichlich schien. Daran hatten auch die Verhandlungen von 1588 im Rathaus in Bruttig zwischen dem „...Dr. Grahs sambt anderen trier[ischen] und spanheimischen Commissarien“ nichts ändern können.

Im ganzen Amt Baldeneck wurden die wehrpflichtigen trierischen Untertanen erfaßt und ihre Bewaffnung notiert. In Bruttig und Fankel waren es 48 Männer. Allen voran Johannes Krebs, Schultheiß in Fankel (Grabplatte auf dem Fankeler Friedhof). Die Bewaffnung der Männer ist angegeben mit: Sturmhut (Helm), Seitenwehr, Hellebarde und Schlagschwert.

Zum Glück fand diese Auseinandersetzung nicht statt, sonst hätten in Bruttig und Fankel möglicherweise Nachbarn und Verwandte gegeneinander kämpfen müssen. Man einigte sich wieder und 1609 wurde den Sponheimern ein Bauplatz zugewiesen „oben im Dorf beim Schwengelpütz“, sie wollten dort ein eigenes Gerichtshaus bauen. Dieses Haus, das auf so hohen „Säulen oder Balken stehen sollte, daß man mit einem Wagen Heu darunter durchfahren könnte“ ist wohl nicht gebaut worden.

1784 verzichtete Sponheim auf seine Rechte am Vogteigericht Bruttig zu Gunsten von Kurtrier.

 

Im Jahr 1619 baute die Gemeinde am Moselufer ein neues Rathaus. Dieses große, eindrucksvolle Gebäude mit Turm und Steintreppe im Hochwasserbereich demonstrierte schon nach außen den relativen Wohlstand des Ortes. Die Räume im Erdgeschoß wurden von den Schrötern genutzt, die den Faßweintransport aus den Winzerkellern bis auf die Schiffe bewerkstelligten. Sie waren auch für die Eichung der Hohlmaße zuständig.

Von 1822 bis zum Neubau der Schule 1906 wurden die Ratssäle als Schule genutzt. Seitdem steht das Gebäude der Bürgerschaft wieder für die verschiedensten Aufgaben zur Verfügung.

 

 

 

 

Das Weistum von 1468

 

Trotz aller geschilderten Streitigkeiten waren die Verhältnisse für die Bürger, so weit sie die Pflichten und Rechte gegenüber ihrer Herrschaft betrafen, in den Jahrhunderten fast gleich geblieben. Das galt aber auch umgekehrt für die Herrschaft. Damit das so bleiben sollte, wurde mindestens einmal im Jahr an einem festgelegten Dingtag das Weistum durchgeführt. Die Forschung definiert das Weistum als eine Rechtsquelle, „die auf eine dauernde Regelung der Rechtsverhältnisse hinzielt, dem bäuerlichen Lebenskreis angehört, einen lokalen Geltungsbereich hat und vorwiegend gewohnheitsrechtlichen Inhalts ist.

 

Das Weistum vom 10. Oktober 1468 war maßgebend für die Beurteilung aller späteren Unstimmigkeiten und wurde deshalb immer wieder herangezogen. Eine Abschrift dieser Urkunde von 1771 wird im Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrt, eine Kopie befindet sich im Besitz der Gemeinde. Der genaue Wortlaut sei an dieser Stelle (in lateinischen Buchstaben und mit einigen Anmerungen versehen) wiedergegeben:

 

„Copia Copiae Notariats-Instrumenti, über das Weißthum

zu Prottich die Churtrierische Gerechtigkeit daselbst betr.“

 

„Datum den 10 ten Octbr. 1468

 

Im Namen der Heiligen Dryfaltikeit Amen, Kunt sy allen Luiten die diß offennbair Instrument (öffentliches Dokument) sehent oder hörent lesen das in den Jairen nach Christi unsers Herrn Gepurt Tusent Vier Hundert und Acht und Sechtzig Jairen in der ersten Indiction (Monatshälfte) uff Montag des Zehenten Tages in dem Maende (Monat) October zu Latino genannt umb ein Ure nachmittage oder daby Pa(p)stumes des allerheiligsten In Gott Vatters und Herren Herren Pauli von Gotlicher Vorsichtikeit Papsts des zweiten In syens fünften Jaire in myens offenbaren Notarien und gezugen (hinzugezogenen) hernach geschriebenn gegenwertikeit In bysin der wirdigen Herren Meister Krydwyß Doctors in beiden Rechten und Cantzlers, und Herrn Johans von Becheln (Büchel ?) Rentmeisters, und Matthias von Keselbach Kelner (Verwalter) zu Cochem, auch anderen Dienere und Fründe (Freunde) unsers gnedigen Herren von Triere auch In Gegenwertikeit etlicher unsers Herren Hertzug Friderichs Graven zu Spaenheim (Sponheim) Fründe mit Namen Johanns von Wyßenburg seines Secretarien und Joisten (Juristen) Amptmans zu Traurbach (Trarbach) die gen Protiche gesant waren das hernach geschrieben Wyßthum zu hörenn,

Sint erschienen in demselben Dorff zu Protich Trierschen Bistums Im Spielhuise (Rathaus) die erbaren Luite Heymburgen gesworn (Bürgermeister und Schöffen) und gantze Gemeynde daselbst da ist zum ersten durch den egenanten Meister Johan Krüidwyß Cantzler anstadt unsers gnedigen Herren vonn Triere an denselben Heymburgen gesworn und gantze Gemeynde zu Protich gesonnen (das Ansinnen gestellt worden) by Irren (ihren) eyden zu wysen was der obgenant unser gnediger Herre von Triere und seiner Gnaden Styft Geriecht darzu gehorig habenn, und sie auch alle Jaire uff Sant Valerius Tag (29. Januar) pflegenn zu wysenn, daruff haint sich Heymburg gesworn und gantze Gemeynde mit einander ein guit Züt beraiten und darnach gewyst einmondenkklich (einmütig) unserm gnedigen Herren von Trier zu Protich und in dem Geriecht darzu gehörig Wasser und Weide den grawen Walt (Hochwald) und den herkomenden Man (neue, zuziehende Einwohner), des geben sie unserm gnedigen Herrn von Triere alle Jaire zu Herbst viere Bürden Wins (Wein) und viere schilling geltz, und deshalben sollent sie gebruchen Wasser und Weide nach aller Irrer noitturft, daruff hant sie zu einer underwysunge (Zwischenanweisung) gesaigt, So wie sie zu einer ziit (Zeit) gerne einen Walt abgehauwen hetten, das mochten sie nit thun Sunder (ohne) erläupniße unsers gnedigen Herren von Triere zu der Ziit und gwamen (kamen) deßhalb zu dem obgenanten unserm gnedigen Herren in den Haim (Sitz des Oberamtes in Zell) Erlaupnisse daruber von Ime zu erwerben und shickten deßhalben seinen Gnaden ein halb Fuder Wins Vorter so haint sie gewyst unserem gnedigen Herren eine Jaire Schetzunge (jährliche Steuer) von Irren gütern zu geben in dem Geriecht zu Protich gelegenn.

Item haint sie gewyst unserm gnedigen Herren zu Triere das Heyle geschreye (Huldigung) den Storm die Volge (Gehorsam in Not- und Kriegszeit) den Ußzug (Wegzug), So ander des Styftz vonn Triere Underthanen unden und oben Ußziehenn den Glockenglancke (zum Dingtag, Begrüßung, etc.)

Item haint sie gewyst unserm gnedigen Herren von Triere das gejegts und den Wiltpanne (das Wild und die Jagd) und wanne siner Gnaden Jeger und Hünde by sie qwemen (kommen), die sollen in eins Heymburgen Huiß gaen, da sall man geben den Jegeren zu essenn und zu drincken, und den Hunden Broit und darzu sint verpflicht alle die daselbst Burgere sint und Wasser und Weide gebruchen. Sie hörenn an wenn sie wollenn (Untertanen verschiedener Herrschaften), und obe (wenn) die Jegere gesunen (gesonnen waren) Seile und Garn uffwertz zu foeren, das sollen sie thun, und dieselben Seile und Garne biß zu edegre (Ediger) lieberen (liefern), Weres aber das sie die aberwertz gesunen zu foeren das soll gescheen biß zu Tryß (Treis) und soll solichs gescheen mit gemeyner acht,

Darnach sind sie in obgeschriebener weissen gefraigt wie das unser gnediger Herre von Trier habe verstanden das vor etlichen Jairen Viere funff oder sechs oder Sieben ungeverlich die Scheffen des Voigtgeriechts zu Protich etliche Wyßthum gethaen haben der Herrlichkeit und Oberkeit daselbst berürend, ob sie auch je zu anderen zeiten gehort haben, oder haben hören sagen das die Scheffenn je zu anderen ziiten darüber oder solichs je gewyst haben, daruff haben sie sich aber miteinander besprochen und einmondenkklich gesaigt, Sie haben nie gehoirt, oder horeren sagen das die Scheffenn daselbst je eyniche Herlichkeit oder Oberkeit oder andere sachen gewyst haben, dann alleine dasjhene das Voigtlich geriecht (Vogtgericht) antreffende und berürende s(e)y gewest und damit gesaigt wie das vor etlichen Jairen Junher Abrecht (Junker Albrecht) von Berwangen zu der ziit als die Voigthie den Herren von Spaenheim verfallen war, die Scheffen von wegen der Voigtherren an dem Pütze zu Protich Inbywesenn etlicher unserrs gnedigen Herren von Triere zu der ziit was Fründen gesaigt habe, weme sie Wasser und Weide Geboit und Verboit zuwysen, da wurde zu derselben ziit durch die Scheffenn mit fingern uff die Gemeynde gedüdet und gesprochen da steent (stünde) Heymburgern gesworn und Gemeynde der gebürt das zu wysenn uff sant Valerius Tag da habe der obgenant Jungher Abrecht geantwort, Ist das von Alters also herkomen so laiß ich es auch daby, und haint auch gesaigt, das die Scheffenn einßteils fünfftzig oder Sechtzig Jaire Scheffenn gewest werenn.

Item darnach sind sie aber sunderlich gefraigt, als zu den selben ziiten die obgemelten Scheffen Gebott und Verbott von Voigtherren oder den Graven von Spaenheim zugewyst haen, ob sie solichs je gehoirt oder haben hören sagen das die Scheffen solichs zu andern ziiten gewyst haben daruff haint sie sich aber besprochen und einmondenklich gesaigt Sie haben nie gehoirt oder höreren sagen das die scheffenn zu Protich oder jemandtz anders den Voigtherren oder den Herren von Spaenheim je zugewyst haben Gebott oder Verbott Vorder dann an das Voigtlich geriecht lange, als die Scheffen zu derselben ziit gewyst haben den Herren von Spaenheim Gebott und Verbott da sin etlich von den Gesworen und der Gemeynde darby gewest die haben zu den Scheffen gesprochen, wir gesteen euch nit das ir oder uwer Herren eyniche Geboit über uns haben, dann alleine das Voigtgericht berürende, da haint die Scheffen geantwort, sie haben es auch nit anders gewyst dan an das Voigtlich geriecht langen.

 

Item darnach sint sie gefraigt worden, wene sie zu Protich vor eynen Grunt Herren wysenn, haint sie sich daruff besprochen und gewyst, Sie wysen unsern gnedigen Herren von Triere vor eynen rechten Gruntherren zu Protich und niemandtz anders.

Item so sind sie grfraigt worden weme sie zu Protich zu wysen Gebott und Verbott, haint sie gesaigt, wann unser gnediger Herre von Triere Ine gepiethe (gebietet) oder durch Amptluite und Kelnere zu Cochme und Baldeneck gepieten laißen das sie alsdann solichen Gebottenen gehorsam sollen sin.

Item darnach sint sie gefraigt worden obe sie je geshen oder gehoirt habenn das ein Voigt oder die Herren von Spaenheim in Proticher Marcken gejaigt haben oder recht haben zu Jagen daruff haint sie gewyst das gejegtz und den Wiltpanne unserm gnedigen Herren zuwisen und nimandtz anders, und haben auch nie gehoirt oder hörenn sagenn das ein Voigt oder die Graven von Spaenheim da gejaigt oder recht zu jagen gehaipt haben.

Item sint sie gefraigt worden weme sie ihre Brüche (Rechtsbrüche) besseren obe sie die nit zu Cochme und Baldeneck gebeßert haben und obe sie nit allewege daselbst geen Cochme und Baldeneck zu geriecht gangen haben, So sie vom Geriechtzbottenn daselbst vorgeheischen sin worden, und obe dieselben Geriechtzbottenn auch nit zu Protich allewege gepfandt haben, daruff haint sie aber gewyst ob ein nachpur (Nachbar) zu Protich mit eyme andern umb Scholt (Schulden) Scheltwortt (Beleidigung) oder eygenn und erbe (Eigentums- und Erbangelegenheiten) daselbst zu thun gehaipt hatt, der habe durch einen Geriechtzbotten zu Cochme oder Baldeneck den laissen an die Geriecht daselbst vorheischen, und da die sachen vertedingt (verhandelt). Dreff es aber eygen und erbe an, So haben sie moissen (müssen) Ire buißen betzalen und sy die sachen gewyst worden an die Geriecht da die guiter gelegen sint, Hette aber ein Nachpur den andern geslagen oder verwondt (verwundet), das were zu Cochme oder Baldeneck so ferre Klage davon qweme unserm Herren von Triere oder sinen Amptluiten von siner Gnaden wegen gebessert was an denselben Geriechten Cochme und Baldeneck geortelt (geurteilt) und gesprochen sy worden, darvon haben auch derselben Geriechtzbottenn zu Protich allewege so (sofern) das nit volzogen sy worden an die gereide (?) habe gepfandt.

Item sint sie aber gefraigt, weme sie die Fischerie in der Moselen zu Protich zu wysen, daruff haint sie gewyst, Sie wysen unserm gnedigen Herren zu Wasser und Weide, und deßhalb die Fischerie zu und niemantz anders, und were es das jemandt Legeschiff da hette, oder in dem yse (Eis) Fische fienge der solt unserm gnedigen Herren von Triere sine Geriechtickeit davon geben als ir nachpur unden und oben thun ungeverlich (wie es auch in den Nachbargemeinden gehalten wird) und als diß obgeschriben Wyßthum von Heymbürgen gesworn und gantzer Gemeynden zu Protich gescheen ist, hait der obgenant Meister Johann Krydwyß Cantzler in namen unsers gnedigen Herren von Triere an mich Notarien hernachgeschriben gesonnen und begert siner Gnaden eins oder mer offennbair Instrument so viel er der noit (notwendig) hett herüber zu machen, und sint dieße Dinge gescheen an der stadt (an der Stelle) Im Jaire Maende (Monat) und Tage stunde Keiser Zale (Regierungsjahr des Kaisers) und Baibsthums (Regierungszeit des Papstes) als sie oben geschrieben steet.

In bywesenn der Ersamen und Erbaren Herren Johann Graß Pfarrers, Herren Johann Richartz Frühmessers zu Protich, Herren Johans Wackerpils und Herre Heinrichs von Bideburg Priester Heinrich Swane Voigt zu Cochme Gerhard Handt, Steffenhennen Wernhers, Scheffenne (Schöffen) und Conraidt Smiedtz Inwonere zu Fanckell Trierscher Bisthums und su(n)st viel erbarer Luite und umbstendere zu Gezugen (Zeugen) dießer Sache sunderlich (besonders) beroiffenn und gebetten

                                                                                  Petrus Monreall de Monasteria Meyfelt

                                                                                  Clericus Treverensis dioc.

                                                                                  Notary in Premissis.“

 

Die jährliche Wiederholung dieser Weisungen an festgelegten Tagen und die Durchführung in immer der gleichen Form von Frage und Antwort hatte zur Folge, daß diese von alters her übernommenen Rechte und Pflichten tief im Bewußtsein der Bevölkerung verankert waren.

 

Nach der Besetzung des Rheinlandes durch die französischen Revolutionstruppen 1794 kam auch unser Gebiet zur französischen Republik. Mit der Auflösung der bestehenden Ordnung sowie der Einführung einer neu gegliederten Verwaltung und des Rechtswesens, verloren die Weistümer ihre Bedeutung.

 

 

 

Hauszeichen

 

Hauszeichen oder Hausmarken findet man in unserem Ort noch eine große Anzahl an unterschiedlichen Stellen: auf alten Grabsteinen und Unfallkreuzen, über der Haus- oder Kellertür, als Eigentumszeichen auf Handwerksgerät oder als Unterschrift auf alten Urkunden, sogar eingeritzt in Kirchenbänken und der Sakristeitür.

Sie sind wohl hauptsächlich in der Zeit vor 1600 entstanden, als die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung noch nicht lesen und schreiben konnte, wurden aber auch nachher noch lange beibehalten.

 

Viele der Hauszeichen haben sich aus einem Kreuz entwickelt, bei dem spätere Generationen jeweils ihre eigenen Zeichen (Striche, Winkel etc.) anfügten. Bei anderen sind oft die Anfangsbuchstaben der Namen integriert oder man erkennt den Beruf des Inhabers an seinem Handwerkszeichen. Die Art der Darstellung von Hauszeichen auf vielen Grabkreuzen und -platten läßt auch vermuten, daß sie in Anlehnung an die Wappenschilde der Ritter entstanden sind, sozusagen als „Wappen der einfachen Leute“.

 

Nachfolgend sind die in Bruttig noch erhaltenen Hauszeichen in einer Übersicht zusammengefaßt:

 

 

 

 

Unser Ort im Wandel

 

Professor Johann August Klein beschreibt 1831 die „bedeutende Ortschaft Bruttig“ in seinem Buch Moselthal zwischen Coblenz und Konz folgendermaßen:

 

            „Ansehnliche Gebäude mit antiken Steingiebeln schauen hinter einer doppelten Reihe    von Walnußbäumen hervor. Der still vorüberwallende Fluß, von zahlreichen Kähnen durchfurcht, erhebt die Ansicht. Dem Baustyle mehrerer Ufergebäude und den Verzierungen ihrer Vorderseite sieht man es gleich an, daß sie in einer Zeit entstanden, in welcher hier großer Wohlstand und lebhafter Verkehr herrschten“.

 

Treffender könnte man auch heute nicht die Moselansicht unseres Dorfes beschreiben. Das wuchtige Rathaus von 1619 mit seinem runden Treppenturm, die Fachwerkhäuser und ganz besonders das Schunk´sche Haus prägen seit einigen Hundert Jahren dieses Panorama.

Erbauer dieses prachtvollen Hauses waren die Eheleute Paulus Pauli von Bremm und Anna Elisabeth Dederichs aus Bruttig. Er war kurtrierischer Schultheiß, Winzer und Kaufmann. Die meisten seiner Geschäfte tätigte er in Koblenz und Köln. Um 1800 kam es in den Besitz der Familie Schunk, von der das Haus seinen Namen hat.

Die heutigen Besitzer, die Juweliersfamilie Müller aus Cochem, haben in den letzten Jahren mit hohem finanziellen Aufwand das Haus wieder zu dem gemacht, was es von Anfang an einmal war: eines der schönsten Häuser an der Mosel und ein Schmuckstück für unseren Ort.

 

Die Walnußbäume, von denen Klein in dem erwähnten Buch schreibt, mußten in den Jahren um 1870 dem Bau der Moselstraße, der heutigen L98, weichen. Es ist heute für uns unvorstellbar, daß es vorher keine befahrbare Straße nach Cochem gab. Nur ein schmaler Fußweg verlief mehr oder weniger hochwasserfrei durch die Weinberge parallel zur Mosel. Das war keine Besonderheit, denn überall wo ein Fluß war, brauchte man keine Straße.

 

Einen Fuhrweg auf den Berg (der „alte Bergweg“) hat es dagegen immer schon gegeben. Er hatte Anschluß an den schon erwähnten Rennweg und führte weiter nach Treis. Die heutige Kreisstraße 35, die 1968/69 gebaut wurde, verläuft genau auf dieser Trasse. Von dem in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts angelegten „neuen Bergweg“ sind nur noch Teilstücke vorhanden.

Die schon 1551 erwähnte Fähre hatte ihren Standort mit Ausnahme weniger Jahre immer am Fuße des Bergweges. Bald nach dem Ausbau der Mosel zur Großschiffahrtsstraße mußte sie ihren Dienst einstellen. Heute überspannt an fast gleicher Stelle die 1972-74 erbaute Peter-Altmeier-Brücke die Mosel und wird den Erfordernissen des heutigen Straßenverkehrs besser gerecht. Weitere Informationen über die Planung und den Bau dieser Brücke findet man in der Festschrift zur Verkehrsübergabe von 1974.

 

Eine ganz andere Verkehrserschließung sollte unser Ort zu Beginn dieses Jahrhunderts erfahren. Mit dem Bau einer Eisenbahn auf der rechten Moselseite von Koblenz nach Trier sollten auch die Ortschaften im „Cochemer Krampen“ Eisenbahnanschluß erhalten. Die Pläne waren fertig, aber aus Kostengründen wurde der Bau immer wieder verschoben.

Mitten im 1. Weltkrieg wurde aus strategischen Gründen das Vorhaben wieder aufgegriffen und beschleunigt. Gebaut werden sollte aber nur noch ein Teilstück, und zwar von Karden bis zum Petersberg bei Neef. Der schwierigsten Bauabschnitt war der geplante Tunnel zwischen Treis und Bruttig. Deshalb begann man auch zuerst mit diesen Arbeiten im Frühjahr 1917, und schon Weihnachten 1919 konnte der ca. 2,6 km lange Tunnel eingeweiht werden. Obwohl der Krieg vorbei war, gingen die Arbeiten vorerst weiter, der Versailler Vertrag gestattete allerdings nur die Fertigstellung begonnener Bauabschnitte, auch wegen der Bausicherheit.

Die schlimmsten Folgen des gesamten Bauvorhabens hatte Bruttig zu tragen. Nach Art der damaligen Zeit wurde die Trassenführung ohne Rücksicht auf Mensch und Natur mitten durch die bebaute Ortslage projektiert. Gleichzeitig mit dem Bau des Tunnels erstellte man auch die Viadukte und Stützmauern innerhalb der Ortslage, wozu vorher eine ganze Reihe Wohnhäuser und Nebengebäude abgerissen werden mußte. Mit dem Abraum aus dem Tunnel wurde der Damm aufgeschüttet, beziehungsweise aufgefüllt, der bei der Einstellung der Arbeiten bis an die ersten Häuser von Fankel heranreichte. Nachdem endgültig feststand, daß auf absehbare Zeit die Bahn nicht weiter gebaut werden sollte, mauerte man die Eingänge des Tunnels zu.

 

1937 begann der spanische Geschäftsmann Wilhelm Alcover im Tunnel auf der Bruttiger Seite mit einer Champignonzucht, die er bis Ende des Kriegsjahres 1943 mit viel Erfolg betreiben konnte. In diesem ersten größeren Gewerbebetrieb in Bruttig arbeiteten eine ganze Reihe junger Männer und Frauen aus dem Ort.

 

Dann begann im Tunnel eine unrühmliche Zeit. Nach entsprechendem Umbau im Innern und Befestigung der beiden Eingänge mit bombensicheren Betonwerken verlegte die Firma Bosch aus Stuttgart ihre Produktion dorthin. Die Umbauarbeiten, aber auch die spätere Produktion wurden zum größten Teil von Zwangsarbeitern aus den von Deutschland besetzten Ländern ausgeführt. In Treis wie auch in Bruttig entstand auf dem Bahndamm außerhalb der Ortslage („auf der Kipp“) ein Barackenlager, eingezäunt mit Stacheldraht und versehen mit Wachtürmen.

Diese sogenannten „Arbeitslager“ unterstanden dem Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsaß und die Behandlung der Häftlinge durch die SS war entsprechend. Bedingt durch das nahe Heranrücken der Westfront wurden die Lager Ende des Jahres 1944 aufgelöst und die Arbeiten im Tunnel eingestellt. Obwohl dieses Drama nur ein dreiviertel Jahr dauerte, erlebten die Häftlinge in dieser Zeit unsägliches Leid. In der Zeit vom 20.3.1944 bis zum 7.8.1944 sind im Standesamt Cochem-Land 52 Todesfälle von Häftlingen aus dem Lager Bruttig dokumentiert, darunter auch 2 Deutsche. Die Todesursachen, die nicht dokumentiert sind, waren fehlende medizinische Versorgung, Folgen der Unterernährung, Erschlagen und Erhängen. Allein am 20.6.1944 wurden 7 Todesfälle gemeldet. Ernst Heimes hat mit seinem Buch Ich habe immer nur den Zaun gesehen eine umfangreiche Dokumentation erstellt, die das Geschehene vor dem Vergessen bewahrt.

Neben den Gräbern von 7 Zwangsarbeitern auf unserem Friedhof erinnert ein von Christoph Anders geschaffenes Mahnmal an die Opfer aus jener Zeit.

Von ihm ist auch der Gedenkstein für die 12 jüdischen Mitbürger aus Bruttig, die deportiert und in verschiedenen Konzentrationslagern umgebracht worden sind. Die Anregung, diesen Stein errichten zu lassen, kam von Robert T. Simon, geboren in Bruttig, heute wohnhaft in Sausalito, Kalifornien, der als Schuljunge durch seine Flucht nach Frankreich seinen Verfolgern entkam. Die beiden Gedenksteine sollen erinnern und mahnen, daß sich nie wieder ein Holocaust wiederholen kann.

 

Seit nun fast 80 Jahren zerschneidet diese Bauruine unser Dorf in zwei Hälften. Die Tatsache, daß dieser, stellenweise 9m hohe Damm, schon so lange zum Erscheinungsbild unseres Ortes gehört und von vielen Gästen verständnislos bestaunt wird, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß er bei Licht besehen nur einen teuren, völlig nutzlosen Fremdkörper innerhalb unseres Wohnortes darstellt. Viel Geld und Ideenreichtum sind erforderlich, damit dieser Steindamm irgendwann einmal wieder aus Bruttig verschwindet .

 

Die 1969 vollzogene Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz brachte wichtige und einschneidende Veränderungen für unseren Ort. Im Gesetz war u.a. festgelegt, daß die beiden selbständigen Dörfer Bruttig und Fankel zu einer Gemeinde zusammengeführt werden sollten. Es ist verständlich, daß dies viel Unmut hervorrief, besonders deshalb, weil dieser Beschluß nicht von den Bürgern selbst herbeigeführt worden war, sondern vom Gesetzgeber zwangsweise erfolgte.

In Bruttig wollte man das nicht, beließ es aber dabei, in Fankel wehrte man sich heftig dagegen, aber letzendlich ohne Erfolg. Bei der Namensgebung für die neue Doppelgemeinde war das anders. Das Gesetz sah verschiedene Möglichkeiten vor, entweder ein ganz neuer „Kunstname“ oder der größere Ortsteil Bruttig sollte namensgebend sein, Doppelnamen sollten nur in Ausnahmefällen zugelassen werden. Nur dem heute schon fast legendären Widerstand der gesamten Fankeler Bevölkerung ist es zu verdanken, daß die neue Gemeinde den Doppelnamen führen kann. Man kann aus heutiger Sicht das mangelnde Fingerspitzengefühl des Gesetzgebers bedauern, man muß aber auch sagen, daß es gut und richtig war, die beiden Dörfer zu einer leistungsfähigen Gemeinde zu vereinigen.

Das die Orte so schnell zusammenfanden, ist auch ein Verdienst des ersten Bürgermeisters der Doppelgemeinde, Egon Heß aus Fankel, der mit Weitsicht und großem kommunalpolitischem Engagement an die Lösung der Probleme heranging. Man kann heute mit Bestimmtheit sagen, daß es in beiden Ortsteilen keine ernstzunehmenden Stimmen mehr gibt, die den alten Zustand wieder herbeiführen wollten.

 

Der Strukturwandel in Landwirtschaft und Weinbau, der seit Mitte der 60er Jahre auch bei uns immer stärker spürbar wurde, verlangte nach Maßnahmen, die einen rationellen, modernen, maschinenunterstützten Weinbau ermöglichten, und diesen so zu erhalten, daß er auch in der Zukunft das Erscheinungsbild unseres Ortes entscheident prägt. Mit der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens im Jahr 1969 hatte man den richtigen Weg beschritten (Siehe Artikel: Weinbau nach 1100 Jahren und seine Perspektiven).

Mit diesem Verfahren konnte aber auch ein anderes Problem gelöst werden. Seit Jahren war kein zusammenhängendes Bauland mehr vorhanden, und bei der vorherrschenden Kleinstparzellierung der Grundstücke war es fast unmöglich, einen geeigneten Bauplatz zu erwerben. Das änderte sich nach Abschluß des Verfahrens schlagartig. Auf den neu erschlossenden Flächen setzte eine rege Bautätigkeit ein, die die Erwartungen bei weitem übertraf. War man bei der Erstellung des Flurbereinigungsplanes noch der Ansicht, daß man in dieser Hinsicht auf lange Zeit vorgesorgt hätte, erwies es sich schon 15 Jahre später als notwendig, weiteres Bauland zu erschließen.

 

Auch für viele Auswärtige ist Bruttig-Fankel ein interessanter Wohnort geworden. Das hängt sicher auch damit zusammen, daß die vorhandene Infrastruktur als gut bezeichnet werden kann. Das sind neben den traditionellen Weinbaubetrieben im einzelnen:

Kindergarten, Grundschule, Arztpraxis, Post, zwei Kreditinstitute, landwirtschaftliche Warengenossenschaft, Handwerks- und Handelsbetriebe verschiedenster Art, Tankstelle, Ingenieurbüros, Gartenbaubetriebe, Versicherungsagenturen, zwei Lebensmittelgeschäfte, Bäckerei, Fleischerei, Hotels, Restaurants, Gastwirtschaften, Weinstuben, Straußwirtschaften und Privatpensionen.

Die Moselbrücke und die beiden gut ausgebauten Kreisstraßen 35 und 36 gewährleisten darüber hinaus eine gute Verkehrsanbindung an das überregionale Straßennetz.

Nicht zuletzt ist das intakte Vereinsleben ein wichtiger Faktor für den hohen Wohnwert unseres Dorfes.

Die Einwohnerzahl betrug am 1. Januar 1998 insgesamt: 1262, im Ortsteil Bruttig wohnen 731 Menschen, 531 im Ortsteil Fankel.

 

Mit dem dorfgerechten Ausbau der Innerortsstraßen und der frühzeitigen Teilnahme am Dorferneuerungsprogramm hat die Gemeinde den richtige Weg eingeschlagen, so daß sich unser Ort für den Fremdenverkehr noch attraktiver präsentiert.

Ein besonders gelungenes Beispiel ist die Gestaltung des Moselvorgeländes in Verbindung mit der neuen Ortsdurchfahrt in Bruttig. Sie entspricht in besonderer Weise den Wünschen der Einwohner und den Erwartungen der Gäste und berücksichtigt auch die Anforderungen des Straßenverkehrs. Mehr solche positive Maßnahmen sind notwendig, um die Wohnqualität und den Urlaubswert unserer Gemeinde auf Dauer noch zu steigern.

Wir alle sollten mit Phantasie und Tatkraft an diesen vielfältigen Aufgaben mitarbeiten, damit Bruttig-Fankel auch in der Zukunft das bleibt, was es immer war:

„Ein bedeutender Wein- und Ferienort an der Mosel“

 

 

 

 

Weinbau nach 1100 Jahren und seine Perspektiven

 

Wir feiern in diesem Jahr nicht nur unser 1100-jähriges Ortsjubiläum, sondern ebenfalls 1100 Jahre Weinbau in Bruttig. Am 4. Juni 898 schenkte der fränkische König Zwentibold einen Weinhof in Bruttig an das Stift Essen. Somit bezeugt uns der erste schriftliche Nachweis unseres Dorfes einen schon entwickelten Weinbau. Über 1000 Jahre bleibt der Weinbau die vorherrschende Einnahmequelle unserer Bevölkerung.

 

Eine erste exakte Bestandsaufnahme erfolgte 1720. Alle Rebstöcke wurden aus steuerlichen Gründen gezählt und in drei Ertragsklassen eingestuft:

 

 

Bruttig

Fankel

Gesamt

1. Klasse

80 840 Stöcke

550485 Stöcke

136 325 Stöcke

2. Klasse

1610803 Stöcke

169 039 Stöcke

330 842 Stöcke

3. Klasse

150 351 Stöcke

65 962 Stöcke

216 313 Stöcke

Gesamt

392 994 Stöcke

290486 Stöcke

683 480 Stöcke

(aus: Grund- und Extraktenbücher LHA KO Best. 1 C Nr. 14936 + 14941)

 

Die Pflanzdichte wird vermutlich deutlich unter einem Quadratmeter je Rebstock gelegen haben.

 

Im Jahr 1970 lebten von den 300 Haushalten in Bruttig und Fankel 44% ausschließlich und 8% überwiegend vom Weinbau. In 31% derselben war der Weinbau nur Nebenerwerb und nur 17% hatten keine Einkünfte aus dem Weinbau. Etwa 470 Eigentümer besaßen die Gesamtweinbaufläche von ca. 140 ha der neu gebildeten Gemeinde Bruttig-Fankel. Eheleute und Miteigentümer zählten als ein Besitzer. (aus: Schlußbericht der Weinbergsflurbereinigung Bruttig-Fankel 1979)

 

1998 werden nur noch 210 Betriebe als Bewirtschafter der Rebflächen in der Gemarkung von Bruttig-Fankel geführt. Die bestockte Rebfläche beträgt nur noch 97,7 ha.

 

Bestockte Rebfläche in den Gemarkungen Bruttig und Fankel in ha nach Rebsorten:

 

Rebsorte

Bruttig

Fankel

Gesamt

%

Riesling

27,3

16,8

44,1

45,1

Elbling

12,9

11,4

24,3

24,9

restl. weiße Rebsorten

6,5

6,8

13,3

13,7

Müller-Thurgau

5,6

6,0

11,6

11,9

rote Rebsorten

1,9

2,4

4,3

4,5

Gesamt

54,2

43,4

97,6

 

 

Rebfläche in den Gemarkungen Bruttig und Fankel in ha nach Nutzungsart:

 

Gemarkung

bestockt

Brache + Driesche

Gesamt

Bruttig

54,3

6,8

61,2

Fankel

43,4

3,4

46,7

Gesamt

97,3

10,2

107,9

 

Sofern Weinbergsdriesche innerhalb von 8 Jahren nicht neu mit Reben bepflanzt werden, verfällt das Recht auf Wiederbepflanzung. Sie gehen als mögliche Rebflächen verloren.

 

Bestockte Rebflächen in den Gemarkungen Bruttig und Fankel in ha nach Weinlagen (Stand 01/98 Rebflächenverzeichnis):

 

Lage

Bruttig

Fankel

Gesamt

Götterlay

9,3

3,3

12,6

Kapellenberg

21,1

15,4

36,5

Pfarrgarten

7,7

---

7,7

Rathausberg

16,3

---

16,3

Layenberg

---

9,7

9,7

Martinsborn

---

11,5

11,5

Rosenberg

---

3,6

3,6

Gesamt

54,4

43,5

97,8

    (Mitteilung von Ltd. LD Wolfgang Stöhr, Landwirtschaftskammer RLP)

 

Altersstruktur der hauptberuflichen Winzer aus Bruttig-Fankel:

 

 

bis 30 Jahre

30-40 Jahre

40-50 Jahre

50-60 Jahre

Gesamt

Bruttig

2

2

7

5

16

Fankel

0

0

5

4

9

Gesamt

2

2

12

9

25

 

Die Rebfläche, die Zahl der Betriebe und vor allem die der hauptberuflichen Winzer, sank in den letzten 20 Jahren drastisch ab. Der Weinbau verlor immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung. In zweistelliger Millionenhöhe verloren die Weinberge an Wert. Vor allem zunehmende Brachflächen und die Mengenregulierung verursachten eine Halbierung der erzeugten Weinmenge auf etwa 1,2 Millionen Liter jährlich. Hierdurch gingen unseren Einwohnern jährliche Brutto-Einnahmen von mehreren Millionen DM verloren.

 

Besonders betroffen sind die älteren Winzerinnen und Winzer ohne Hofnachfolger. Sie müssen oft mit dem niedrigen landwirtschaftlichen Altersgeld (Rente) und den geringen Pachterlösen auskommen. Es fehlt ihnen an Altenteilsleistungen durch die Betriebsübernehmer.

Die Einkommen aus Faßweinverkäufen an die Weingroßkellereien und den Traubenanlieferungen an die Genossenschaft gingen zurück. Die 1989 eingeführte Mengenregulierung brachte keine Besserung, nur verlorene Marktanteile. Einzig die Betriebe mit eigener Flaschenweinvermarktung konnten bei hohem Einsatz ausreichende Einnahmen erwirtschaften.

 

Vermarktungswege der Bruttig-Fankeler Weine in den letzten 10 Jahren:

 

         Faßwein über Weingroßkellereien                 ca. 45%

         Trauben über Winzergenossenschaft           ca. 25%

         Selbstvermarktung an Verbraucher              ca. 30%

 

Es ist kurz- und mittelfristig nicht zu erwarten, daß sich die Erlössituation über Faßwein- und Traubenvermarktung wesentlich verbessert. Folglich bleibt als einzige Alternative die Selbstvermarktung. Nur sie bietet die Chance für einen rentablen Weinbau und muß weiter zunehmen, um dessen Zukunft zu sichern.

 

Vom Fortbestand des Weinbaues hängt im wesentlichen auch der Fremdenverkehr ab. Dies ist unsere zweite wirtschaftliche Säule mit zunehmender Bedeutung. Beide profitieren wechselseitig voneinander und können nur im Zusammenhang gesehen werden.

Der Fremdenverkehr gewährt die beste Möglichkeit, neue Weinfreunde zu gewinnen. Aus diesem Grund und um ein zweites Standbein zu haben, betreiben viele Winzer eine Gästepension, Straußwirtschaft oder Gaststätte. Von den 25 Haupterwerbstwinzern unter 60 Jahren sind dies 20 Betriebe. Der Tourismus trägt ganz wesentlich zum Fortbestand des Weinbaues bei. Umgekehrt pflegen die Winzer unsere herrliche Kulturlandschaft und bieten Erlebnisse rund um den Wein an. Ein florierender Fremdenverkehr fördert die Zukunftschancen unseres Weinbaues ganz erheblich.

Deshalb ist es auch in dessem Sinne, die Schwächen der weißen Industrie zu beseitigen. Die Einkommen sind durch eine zu schwache Auslastung und mäßige Preise nicht befriedigend. Eine Änderung ist nur über ein umfassendes und verbessertes Gästeangebot erreichbar. Wir benötigen mehr Gäste aus der Zielgruppe, die einen lohnenden Tourismus und guten Weinverkauf ermöglichen. Vor allem solche Leute legen besonderen Wert auf typische Moselorte. Wir können stolz sein, in zwei Dörfern mit vielen historischen Bauten und noch unverkennbarem Charakter zu leben. Es gilt, diesen zu bewahren und noch besser herauszustellen.

Eine Gefahr erwächst aus dem sich immer mehr ausbreitenden Neubaugebiet, daß sich meist in bundesdeutscher Vielfältigkeit zeigt. Das Bewußtsein unserer Bevölkerung für die eigene Kultur bedarf noch der Steigerung. Vielleicht hilft die Erkenntnis, daß sich dies auch wirtschaftlich lohnt.

 

Der Weinbau erlitt in den letzten 15 Jahren einen starken Niedergang. Einige Anzeichen sprechen endlich dafür, daß wir die Talsohle erreicht haben. Wie so oft, haben große negative Entwicklungen gleichwohl positive Seiten. Der Rückzug des Weinbaues aus den weniger guten Randlagen führte zu einer besseren Weinqualität. Ebenso die reduzierten Erträge durch die Mengenregulierung. Durch sie und die billigen Pacht- und Bodenpreise wandelt sich unser Weinbau immer mehr von einer intensiven zur kostengünstigeren extensiven Bewirtschaftung. Die höchstmögliche Produktion von den knappen Flächen ist nicht mehr nötig.

 

Leider fielen dem Wandel auch die meisten der guten und landschaftsprägenden Rebflächen in der oberen Berghälfte zum Opfer. Durch die beschlossene „beschleunigte Flurbereinigung“ in den Steillagen Götterlay und Rosenberg wird dem dort entgegen gewirkt. Die Arrondierung der Flächen, mit der dann möglichen Erschließung durch Bahnen, führt zu einer besseren Bewirtschaftung. Die Ausdehnung der Brache wird gestoppt und es kommt teilweise zum Wiederaufbau von Drieschen mit Reben.

 

Aus der Alters- und Familienstruktur unserer Winzerschaft läßt sich ableiten, daß in 20 Jahren nur noch maximal 10 Haupterwerbsbetriebe bestehen werden. Der Nebenerwerb läuft meist nach einer Generation aus.

Bei rund 100 ha Gemarkungsfläche ergibt dies durchschnittlich je Betrieb 8-10 ha Rebfläche mit einer Weinernte von 100 000 Liter. So große Betriebe mit Steillagen können nicht mehr von einer Winzerfamilie allein bewirtschaftet werden.Sie wäre schon durch die Vermarktung von über 100 000 Flaschen mehr als ausgelastet. Vom Einsatz in der oft angegliederten Pension oder dem Gutsausschank ganz zu schweigen. Die Betriebe hätten eine Größe erreicht, die auch mit Aushilfskräften kaum zu führen sind. Zudem ist fraglich, ob dann noch osteuropäische Kräfte zur Verfügung stehen.

Vielleicht ändert sich die Einstellung der einheimischen Bevölkerung, die heute fast nur während der Lese bereit ist im Weinbau zu arbeiten. Um teure, feste Kräfte einstellen zu können, müßten die Erlöse deutlich steigen. Sollte dies alles nicht möglich sein, wird für die verbleibenden Betriebe das Motto lauten: „Weniger ist mehr“. Die Weinbaufläche ginge zurück mit all ihren negativen Folgen.

Alle Bemühungen müssen letztendlich zu einem ausreichenden Einkommen führen, das noch bei vertretbarem Arbeitszeitaufwand der Winzerfamilien erzielt wird. Nur hierdurch kann wieder Interesse der Jugend am Winzerberuf geweckt werden. Zur Zeit fehlt in Bruttig-Fankel fast die ganze junge Winzergeneration. Diese Lücke muß bald wieder gefüllt werden, da sonst das Bindeglied fehlt. Im gesamten Moselgebiet sieht es nicht ganz so spärlich aus.

Neben der Politik ist in erster Linie der Berufsstand selbst gefordert, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Es gilt sich den veränderten Bedingungen anzupassen und konsequent das Bestmögliche anzustreben.

 

Die Mosel mit der weltweit größten Rebfläche an Riesling, der besten Weißweintraube, muß wieder den ihr zustehenden Rang erreichen. Dies geht nur mit der Spezialität Mosel-Riesling. In keinem anderen Gebiet und auch von keiner anderen Rebsorte wird seine einmalige elegante Art, sein feinfruchtig, blumiges Bukett und die rassige, erfrischende Säure erreicht. Er ist unnachahmlich und muß als Zugpferd noch stärker herausgestellt werden.

Modetrends, wie in der Vergangenheit die neuen Bukettsorten oder heute der Rotwein und die weißen Burgundersorten, bringen meist nur kurzzeitig Erfolg. Sie dürfen über ein Nischendasein nicht hinauskommen, um den unverwechselbaren Gebietscharakter der Mosel nicht zu verfälschen. Nur mit der Spezialität Mosel-Riesling erreichen wir auch langfristig ein nötiges höheres Preisniveau. In den mittleren und besten Lagen sollte nur Riesling angebaut werden. Voraussetzung für den Erfolg unserer Weine ist eine hohe Qualität, gute Erkennbarkeit im Geschmack und Vertrauen beim Verbraucher.

Eine genaue Prognose über die Entwicklung des Weinbaues in Bruttig-Fankel ist sehr schwierig. Sie hängt von zu vielen Faktoren ab, die zudem teilweise nicht voraussehbar sind. Vermutlich werden die ebenen Weinbauflächen wegen der günstigen Bewirtschaftung alle weiter bebaut, um Spitzenweine anbieten zu können auch die besten Steillagen im heutigen Umfang. Die Bewirtschaftung der anderen Steillagen wird weiter stark zurückgehen.

Probleme und Chancen des Weinbaues möchte ich mit diesem Beitrag bewußtmachen. Er soll mithelfen, die Lage des Weinbaues richtiger zu beurteilen. Ich hoffe, daß hierdurch in unserer Bevölkerung ein besseres Verständnis und mehr Verbundenheit mit dem heimischen Weinbau erreicht wird.

Für das nächste Ortsjubiläum in 50 Jahren wünsche ich, daß auch dann wieder die Winzerschaft ihr Jubiläum mitfeiern kann!

 

                                                                  Paul Schunk

 

 

 

 

Ein Unfallkreuz gab Rätsel auf

 

Von den Flur- und Wegekreuzen, die man in unserer Gemarkung findet, verdient eines davon ganz besondere Beachtung. Es befindet sich ca. 500 m unterhalb der Ortslage Bruttig an der L 98, eingelassen in den Bahndamm, an der Stelle, wo die Rampe beginnt, die zum Durchgang des Dammes führt.

Auf den ersten Blick ein ganz normales Unfallkreuz, das aufgerichtet wurde zur Erinnerung an einen jungen Mann, der dort von einem Stein erschlagen wurde. Als man vor einigen Jahren damit begann, die Flur- und Wegekreuze und ihre Inschriften aufzunehmen und zu dokumentieren, mußte man feststellen, daß der größte Teil der Inschrift an diesem Kreuz mit dem Hammer systematisch zerstört worden war. Zu lesen war nur noch:

 

1843 D 14. JAN. IST HIR

GEST: PHILIPP JAKOB

OSTERMANN

VON EINEM STEIN

GETROFFEN...............

.............................

.............................

AMEN

 

Wer auch immer ein Interesse daran gehabt haben mag, den weiteren Text zu zerstören, er hatte es nicht gründlich genug getan. In geduldiger Kleinarbeit gelang es schließlich, den größten Teil der fehlenden Schrift zweifelsfrei wieder herzustellen. Sie lautet:

.. DER GOTT

NACH IM GEWORFEN
HATT. ER WURDE
GELIBT V.[on] S.[einen] ELTERNN

ER LERNT U.[ns]. SICH DEM

BRUDERMORT ERIEN[nern]

...............CH BESTELT

AMEN

 

Der ungeheuerliche Vorwurf, der in dieser Textpassage liegt, nämlich: „Kain, wo ist dein Bruder Abel?“ und die Antwort: „Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“ ließ natürlich nicht eher ruhen, bis man den Hintergrund dieser Tragödie erhellen konnte. Die Nachforschungen bei alten Mitbürgern erbrachten folgendes Ergebnis: Zwei Brüder hatten im Wege der Erbteilung von ihren Eltern einen Weinberg im Daun erhalten und zwar der ältere die obere und der jüngere die untere Hälfte. Dieser Weinberg war durch Steinschlag und auch von Steinen, die lose im Weinberg lagen, besonders gefährdet. Deshalb hatten die Eltern die Bedingung daran geknüpft, daß einer den anderen vor eventuellen Arbeiten dort benachrichtigen sollte, damit der unten Arbeitende nicht zusätzlich gefährdet würde. So wie die Dinge liegen, hat sich der ältere Sohn wohl nicht daran gehalten.

Wenn ihm auch keine direkte Schuld nachgewiesen werden konnte, so war die Formulierung auf der Schrifttafel des Kreuzes eine bohrende Frage an ihn und ist eine dringende Mahnung an uns alle.

 

 

 

 

 

Die Pfarrei St. Margaretha

 

Als der römische Kaiser Konstantin der Große im Februar 313 mit dem Mailänder Edikt die Christenverfolgung im ganzen Reich beendete, konnte sich das Christentum auch bei uns verstärkt ausbreiten. Nachdem Kaiser Theodosius der Große im Jahre 392 den Besuch der heidnischen Tempel verbot und alle heidnischen Kulthandlungen unter Strafe stellte, war die Christianisierung nicht mehr aufzuhalten. In den folgenden Jahrhunderten der Merowingerzeit wurden überall in unserer Gegend Kirchen gebaut und Pfarrbezirke gebildet. Für eine frühe Christianisierung unserer Heimat spricht auch die räumliche Nähe zu Karden, dem geistig-religiösen Zentrum der damaligen Zeit in unserem Raum. Hier konnte der Hl. Kastor mit seinen Gefährten in den Jahren um 350 an die ehemaligen kelto-romanischen Heiligtümer anknüpfen

In Karden wird 1084 ein Kollegiatstift (eine Priestergemeinschaft, die auch mit der Seelsorge der umliegenden Dörfer beauftragt ist) erstmals urkundlich erwähnt, doch es ist anzunehmen, daß dieses schon hundert Jahre vorher existierte .Der Vorsteher dieser Gemeinschaft, auch Chorbischof genannt, war der Archidiakon. Er wurde vom Bischof in Trier eingeführt und übernahm für diesen gewisse Aufgaben in den ländlichen Pfarreien. Ihm oblag auch die Einteilung der Geistlichen auf die einzelnen Ortschaften. Man darf annehmen, daß um das Jahr 800 auch bei uns eine Kirche stand, die dann um das Jahr 1050 zur Pfarrkirche für die Pfarrei Bruttig wurde mit den Filialen: Fankel, Ellenz, Poltersdorf, Ernst und Valwig. Ellenz wird 1308, Poltersdorf 1310, Valwig 1331 und Ernst 1337 selbständige Pfarrei. Der Pfarrbezirk reichte bis an die Grenzen der Großpfarrei Eller heran.

Der Schutzpatron unserer Kirche war damals mit Sicherheit der Hl. Remigius.

Der Hl. Remigius (437-533) war Bischof von Reims. Er taufte am Weihnachtsfest des Jahres 496 den Frankenkönig Chlodwig I. mit vielen seiner Edelleute. Viele alte Pfarrkirchen in unserem Bistum sind dem Hl. Remigius geweiht.

 Der erste Pfarrstelleninhaber, den wir mit Namen kennen, war Arnold von Ehrenberg 1282. Er war Domherr in Köln und hatte in Bruttig einen Stellvertreter.

Heinrich von Virneburg wird 1288 als Pfarrstelleninhaber genannt.

 1309 wird Gerlach, 1343 Everhard und 1348 Winrich als Pfarrer von Bruttig erwähnt.

 1377 ist Johann von Monreal Inhaber der Pfarrstelle. Er hatte einen Vertreter angestellt, weil er die Pfarrei schon als Minderjähriger empfangen hatte. Sein Stellvertreter hieß Hermann und nannte sich Rektor. Johann konnte die Stelle gar nicht antreten, weil er nicht zum Priester geweiht worden war. Urkunden über diesen unglaublichen Vorgang sind abgedruckt in:

Sauerland: „Vatik. Urkunden und Regesten“.

1422 - 1426 ist Gobelius von Fankel und vor 1487 Johann Grahs, Vertreter des Bruttiger Pfarrers. Sie nennen sich Pleban (Leutpriester).

Im Jahr 1471 wurde unsere Pfarrei von Papst Sixtus IV. dem Kollegiastift Karden einverleibt. Das Stift hatte ihn darum gebeten, um die finanzielle Situation zu verbessern, damit man den vielfältigen Aufgaben in der Seelsorge besser gerecht werden könnte. Damit waren die Kanoniker in Karden die eigentlichen Pfarrer in Bruttig und bezogen nun auch den halben Teil der Zehnteinnahmen aus der Pfarrstelle Bruttig.

 

In den Jahren um 1500 wird eine neue Kirche gebaut. Die Jahreszahl 1507 am Turmportal könnte das Jahr der Fertigstellung sein. Das alte Pfarrhaus auf der “Lay“ stammt wahrscheinlich aus der gleichen Zeit. In einer Urkunde betreffend Kirche Bruttig und Kloster Engelport wird Servatius Hausmann Pfarrer in Bruttig, gest. 1501, und 1519 Mathias Humphen Pastor in Bruttig und Landdechant von Zell erwähnt.

1548 ist Jakob Maurer Pfarrer in Bruttig. Er ist wahrscheinlich identisch mit dem 1569 genannten Jakob Latomus. Er erhält 1572 vom Trierer Kurfürst die Genehmigung einen Teil des Pfarrhauses als Schule einrichten zu dürfen. Die Anregung und finanzielle Unterstützung für dieses wichtige Vorhaben kam von Martin Gobelius, der von hier stammte und in Bad Soden-Salmünster Dechant war. Siehe auch: Jahrbuch 1998 für den Kreis Cochem-Zell, Seite 134.

Von 1590 - 1609 war Johann Leonhard Pfalzel Pfarrer in Bruttig. Obwohl er Kanoniker in Karden war, versah er selbst den Dienst bei uns. Er hat auch das erste Taufbuch der Pfarrei angelegt und wurde 1609 Dechant des Zeller Landkapitels.

 Ihm folgten bis 1613 Johann Emmel, 1613 - 1620 Johann Schrober und 1621 - 1639 Nikolaus Walscheid als Pfarrer in Bruttig.

Von Philipp Ostmann, der von 1639 - 1656 bei uns wirkte, stammt auch das Renovationsbuch der Filialkirche Fankel von 1654. Es ist eine Handschrift des Lehrers und Organisten von Bruttig, Johann Carolus Aeschermann aus Gerolstein. In diesem Buch ist der Grundbesitz sowie die Rechte an Geld, Trauben, Wein, Wachs und Öl verzeichnet.

1656 ist Heinrich von Bocheim Pfarrer und 1666 - 1680 wird Franziskus Gobelius aus Bruttig als Vertreter des Pfarrers genannt.

 

 

 

1705

- 1723 heißt der Pfarrer Konrad Petri, ihm folgt 1723 - 1754 Johann Karl Bayer. Sein Bruder Johann war Schultheiß in Bruttig. 1754 übernahm Franz Michael Schwarzenberg die Pfarrei bis 1793.

 

Als Johann Nikolaus Feuser, der seit 1787 Pfarrer in Bullay war, noch im gleichen Jahr nach hier kam, spürte die Bevölkerung im ganzen Rheinland schon die Wogen der französischen Revolution. Mit der Besetzung unserer Heimat durch die Revolutionstruppen begann die systematische Auflösung und Zerstörung aller Klöster in den eroberten Gebieten. Auch das Kloster Maria Engelport, das im Gemeindebezirk Fankel lag, teilte dieses Schicksal. Zur Geschichte des Klosters Engelport hat Dr. Norbert J. Pies eine ganze Reihe von Schriften herausgegeben, insbesondere auch: „Bruttig-Fankel und Kloster Maria Engelport.Ein Beitrag zur 1100-Jahrfeier der Gemeinde.“

Im Jahr 1824, während der Amtszeit von Herrn Feuser, wurde das jetzige Pfarrhaus erbaut. Er starb am 7. August 1833 und wurde hier begraben. Sein Grabstein steht jetzt am Kirchturm.

Franz Josef Roll, der von 1823 - 1825 in Trarbach, und von 1825 - 1833 in Eller war, übernahm noch im gleichen Jahr die hiesige Pfarrei. Während seiner Amtszeit wurde in den Jahren 1845 - 1847 das heutige Kirchenschiff neu erbaut. Pfarrer Roll war hier bis 1858. Mehr darüber ist nachzulesen in: „150 Jahre Neubau der Pfarrkirche St. Margaretha in Bruttig. Festschrift zum Kirchenjubiläum am 15. Juni 1997.

 

Ihm folgte 1859 - 1871 Franz Dersdorf und von 1871 - 1872 Johann Baptist Roelen. Beide wurden auch hier beerdigt. Von 1872 - 1884 war unsere Pfarrei wegen des „Kulturkampfes“ unbesetzt.

Die Gottesdienste wurden von den Pfarrern aus den Nachbargemeinden abgehalten, und oft wurde die Spendung der Sakramente heimlich von den staatlich nicht zugelassenen Geistlichen in den Privathäusern vorgenommen. Einer der bekanntesten Kulturkampfpriester im Bistum Trier war der am 18.4.1848 in Fankel geborene Franz Schneiders. Die Staatspresse nannte ihn den “geistlichen Schinderhannes“. Er verstand es, sich durch Bauernschläue, Verkleidungen und mit Hilfe aufrechter Katholiken des öfteren dem Zugriff der Polizei zu entziehen. Nach einer ganzen Reihe von Verhaftungen und Gefängnisstrafen wurde er im Juni 1875 aus dem Deutschen Reich ausgewiesen und ging nach England.

 

Mit Matthias Föhr kam am 11.2.1884 wieder ein Pfarrer nach Bruttig. Auch er hatte als junger Geistlicher im Kulturkampf  Gefängnisstrafe auf sich gezogen und war 11 Jahre aus seiner Heimat ausgewiesen. Nach 28 Jahren segensreichem Wirken bei uns mußte er am 1.1.1912 wegen Krankheit den Dienst in der Pfarrei Bruttig aufgeben. Er starb am 21. Mai desselben Jahres in seinem Elternhaus in Trier-Heiligkreuz im Alter von 68 Jahren. In seine Amtszeit fiel auch die Klosterneugründung in Maria Engelport durch die Hünfelder Oblaten (1903), sowie die Errichtung einer Ordensniederlassung der Franzikanerinnen von Waldbreitbach bei uns im Ort, nämlich am 12. November 1905. Letztere war möglich geworden durch die großzügige Stiftung des ledigen Jacob Andrae aus Bruttig, der seine beiden Wohnhäuser mit “Hofbering“, sowie ein Kapital von 60 000 Reichsmark der Gemeinde vermachte mit der Verpflichtung, eine “Kleinkinder-Bewahranstalt“ und eine Krankenstation einzurichten. Diese Aufgaben sollten von katholischen Ordensschwestern übernommen werden. Während der Amtszeit von Pfarrer August Lamberty, er kam 1912 als Nachfolger von Pfarrer Föhr nach Bruttig, traten in den 20er Jahren eine ganze Anzahl junger Mädchen aus Bruttig-Fankel ins Kloster ein, aber nicht zu den Franziskanerinnen, sondern in der Mehrzahl bei den Schwestern von der Göttlichen Vorsehung in Mainz. Möglicherweise lag das auch an Pfarrer Lamberty, dessen Nichte dort auch eingetreten war. Die Franziskanerinnen zogen sich 1928 oder Anfang 1929 überraschend aus Bruttig zurück. Daraufhin übernahmen noch im gleichen Jahr die Mainzer Schwestern die hiesige Station. Nach über 56 Jahren segensreichen Wirkens in unserem Ort mußte am 31.7.1986 die Niederlassung wegen Schwesternmangel aufgelöst werden.

 

Im Jahr 1922 erfolgte eine weitere Ordensniederlassung in Bruttig. Frau Josefine Schmitz, geb. Schunk , die kinderlos war, und ihr Stiefvater Josef Feiden, beide aus dem “Schunk´schen Haus“ , übertrugen schon zu Lebzeiten ihre Häuser, sowie den größten Teil ihres Weinbergsbesitzes der Missionsgesellschaft der Hünfelder Oblaten. Diese hatten, wie schon erwähnt, 1903 die Ruinen des ehemaligen Klosters Maria Engelport angekauft und mit dem Wiederaufbau begonnen. Frau Schmitz war eine Urenkelin von Bartholomäus Schunk, der während der Säkularisation große Teile des in Bruttig-Fankel gelegenen Weinbaubesitzes des aufgelösten Nonnenklosters Maria Engelport angesteigert hatte.

Mit dem Einzug von Pater Leo Wiegand und einigen seiner Mitbrüder ins Schunk´sche Haus erlebte die traditionell gute Zusammenarbeit zwischen dem Kloster und unserer Pfarrei einen neuen Höhepunkt. Pater Wiegand unterstützte den jeweiligen Bruttiger Pfarrer in allen seelsorgerischen Belangen, und an den kirchlichen Hochfesten kam immer “Verstärkung“ von Engelport zur feierlichen Gestaltung der Festgottesdienste. Den älteren Mitbürgern aus unserer Pfarrei ist dies sicher noch in guter Erinnerung. Leider mußte das Kloster Engelport im Frühjahr 1956 die Niederlassung in Bruttig wieder aufgeben. Der starke Rückgang von Ordensmitgliedern zwang zu dieser Maßnahme.

Pfarrer Lamberty starb hier am 19.11.1938, er war über 40 Jahre Priester und davon fast 27 Jahre in Bruttig.

 

Schon 6 Wochen später, am 30 Dezember, kam mit Nikolaus Reiter ein neuer Pfarrer nach Bruttig. Er war vorher 20 Jahre Pfarrer in Saarbrücken. Seine angeschlagene Gesundheit hatte ihn gezwungen, eine kleine Pfarrei anzunehmen. Er war ein sehr intelligenter und humorvoller Mann , und es gelang ihm, die schwierige Zeit des Nationalsozialismus einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Im Frühjahr 1945 übertrugen ihm die französischen Besatzungstruppen gegen seinen Willen das Amt des Ortsbürgermeisters, bis er einen „unbelasteten“ Nachfolger benennen konnte, der das Amt annahm. Noch im gleichen Jahr, am 28. Dezember, verstarb Pfarrer Reiter  nach kurzem Krankenlager im Alter von 57 Jahren und wurde auch hier begraben.

Sein Nachfolger wurde 1946 Johannes Jager. Er war 1890 in Losheim geboren. Nach seelsorgerischem Wirken in verschiedenen Pfarreien kam er schon krank nach Bruttig. Während seiner Amtszeit wurden 1949 in der Pfarrkirche 11 neue Kichenfenster eingebaut. Die alten waren 1944 von einer Luftmine zum größten Teil zerstört worden. 1951 verzichtete er auf die Pfarrei und ging als Ruhestandsgeistlicher zurück in seine Heimat. Er starb am 14. Dezember 1958 in Losheim.

Matthias Lambertz, der 1951 unsere Pfarrei übernahm, war 1894 in Konz geboren. Er wurde 1923 in Trier zum Priester geweiht. Er war in jeder Hinsicht ein tatkräftiger Mann. In Großlittgen, wo er vor seinem Amtsantritt in Bruttig Pfarrer gewesen war, hatte die Pfarrei unter seiner Federführung eine neue Kirche erbaut. Hier in Bruttig und Fankel, wo unter anderem auch größere bauliche Notwendigkeiten am Pfarrhaus und an beiden Kirchen dringend erforderlich waren, war Pfarrer Lambertz zu der Zeit der “richtige Mann am richtigen Platz“ Die wichtigsten Bauvorhaben aus seiner Amtszeit waren: Sicherung des Gewölbes in der Pfarrkirche durch Einzug von Stahlankern, Einbau einer Warmluftheizung sowie Renovierung und Neuausmalung, Sanierung des Glockenstuhles und Anschaffung eines elektrischen Läutewerkes, Umbau des Pfarrhauses zur Schaffung einer Bücherei und eines Jugendraumes (Pfarrsälchen), Innenrenovierung und Neuausmalung der Filialkirche in Fankel. Anfang der 60er Jahre ließ sein Gesundheitszustand immer mehr zu wünschen übrig, und die klimatischen Verhältnisse im engen Moseltal machten ihm immer mehr zu schaffen. Darum verließ er Ende des Jahres 1964 unsere Pfarrei und übernahm die kleinere Pfarrei Pillig in der Eifel. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in seiner alten Pfarrei Großlittgen, wo er am 10. Juni 1980 verstarb. Er wurde in seinem Geburtsort Konz beigesetzt.

 

Mit Hubertus Lierow kam im April 1965 ein junger Pfarrer nach Bruttig, der mit 34 Jahren noch voller Tatendrang war. Pfarrer Lierow wurde 1931 in Breslau geboren und 4.8.1957 in Trier zum Priester geweiht. Er wurde im Januar 1965 zum Pfarrer von Bruttig ernannt. Er begann unverzüglich seine Ideen und Vorstellungen in die Tat umzusetzen, um aus Bruttig und Fankel eine moderne Pfarrei zu machen, die den „Staub“ der Jahrhunderte abgeschüttelt hat. Seine Fähigkeit, die Pfarrangehörigen dafür zu begeistern, erleichterten und beschleunigten diesen Umbruch. Es war die Zeit des II. Vatikanischen Konzils, in der alles in Bewegung geraten war, was in der Kirche jahrhundertelang festgefügt war. Der Innenraum unserer Pfarrkirche wurde im Zusammenhang mit der Liturgiereform ganz umgestaltet. Der Gottesdienst sowie das gesamte kirchliche Leben in unserer Pfarrei wurde neu organisiert und im Sinne des II. Vatikanums reformiert. Die Verwaltung und der kircheneigene Grund- und Weinbergsbesitz wurden der Zeit angepaßt. Die größte Baumaßnahme in jenen Jahren war wohl die umfassende Instandsetzung des Kirchturmes der Pfarrkirche. Im einzelnen sind zu nennen: Einbau eines Beton-Ringankers in Höhe der Glockenstube, Erneuerung der Turmgalerie, Ausbesserung des Turmhelmes mit Naturschiefer sowie die Erneuerung des Außenputzes. Herr Lierow verließ die Pfarrei Ende des Jahres 1972, um ein Studium zum Studienrat zu beginnen. Er ließ sich laiisieren und heiratete.

 

Der neue Pfarrer Josef Kreuser, der am 6. Mai 1973 zu uns kam, war mit den vielfältigen Aufgaben die er hier vorfand, ganz sicher überfordert. Er verließ die Pfarrei im Sommer 1974 ohne Ankündigung.

Dietmar Behrensdorf, Priester und Religionslehrer in Cochem, der vom 1. Januar - 1. Mai 1973 schon einmal die Pfarrverwaltung inne hatte, übernahm diese nun ein zweites Mal und wurde unterstützt von Pater Michael und Pater Georg von den Karmelitern in Beilstein und Pater Erwin vom Kloster Ebernach. Dieses Provisorium dauerte bis zum Dezember 1978.

In diesen Jahren konnte auch die dringende Reparatur am Dachstuhl des Kirchenschiffes durchgeführt werden. Durch Wassereintritt hatte die Holzkonstruktion gelitten und drückte stellenweise so stark auf die Gewölbebögen, daß sich Risse gebildet hatten. 1978 begann man auch mit dem Bau einer neuen Kirchenheizung, die 1979 fertiggestellt wurde.

 

In der Zwischenzeit war, Mitte Januar 1979, Pater Gerhard Farbowski vom Orden der Steyler Missionare als Pfarrer von Bruttig-Fankel und Ernst eingeführt worden. Nach seiner Priesterweihe 1957 in der Nähe von Allenstein im ehemaligen Ostpreußen, wirkte er bis 1977 in verschiedenen Orten in Schlesien und kam dann nach Deutschland. Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit warb Pfarrer Farbowski immer wieder für eine Erneuerung und Umgestaltung des Kirchenraumes. Nachdem 1987 das Kirchendach mit Naturschiefer neu eingedeckt war, konnte man sich diesem großen Vorhaben zuwenden.

 

Am 4.6.1992 war es endlich soweit. In einer gemeinsamen Sitzung von Pfarrgemeinde- und Verwaltungsrat wurde die farbliche Neugestaltung unserer Pfarrkirche beschlossen. Zuerst sollten die beiden alten Anstriche abgenommen und dann je nach Befund weiter entschieden werden. Ende September begannen die Arbeiten in der Kirche und im Laufe des Winters, nachdem man die Dispersionsfarben abgewaschen hatte, stellte man fest, daß ca. 70% der ursprünglichen Farbgebung noch erhalten war, ausgenommen am Chorgewölbe. Daraufhin entschied der Verwaltungsrat nach reiflicher Überlegung, die alte Ausmalung zu erhalten, aufzufrischen, Fehlendes zu ergänzen und Neues der vorgefundenen Farbkomposition anzupassen. Die Ausführung dieser anspruchsvollen Arbeit lag in den Händen des Kirchenmalers und Restaurators Daniel aus Geisenheim und seinen Mitarbeitern. Dieser Beschluß fand am Anfang nicht die einhellige Zustimmung in der Bevölkerung. Doch nach der Ausführung und dem Abschluß aller Arbeiten waren die Pfarrangehörigen wieder stolz auf das gelungene Werk in ihrer Kirche. Am Sonntag, dem 4. Juli 1993 wurde mit einem feierlichen Gottesdienst unter Mitwirkung des MGV Frohsinn Bruttig-Fankel und der Klingenden Moselländer die Wiedereröffnung festlich begangen.

 

Seit nunmehr 19 Jahren wirkt Pater Gerhard Farbowski bei uns und kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen, besonders da er seit September 1984 auch Vertreter des Dechanten im Dekanat Cochem ist und seit September 1991 auch noch zum Pfarrer von Valwig ernannt wurde.

Dieser großen Verantwortung und den vielfältigen Aufgaben als Seelsorger kann er auch weiterhin nur gerecht werden, wenn immer mehr engagierte Laien ihm nach ihren Möglichkeiten tatkräftig zur Seite stehen. Wir hoffen, daß es uns allen mit Gottes Hilfe gelingen möge.

 

 Sakramentshaus aus dem 16. Jahrhundert

 

 

Die Glocken unserer Pfarrkirche

 

Seit Jahrhunderten erfüllen unsere Glocken neben ihrem kirchlichen Dienst auch andere Aufgaben im alltäglichen Leben unserer Dorfgemeinschaft und verdienen daher ganz sicher eine nähere Betrachtung ihrer langen, wechselvollen Geschichte.

 

Von den drei Glocken, die im Turm hängen, wurde die große St. Margaretha-Glocke 1423 von Matth. Freywald gegossen, wie aus der alten Inschrift hervorging. Von ihr wird berichtet, daß sie im Jahr 1711, nachdem sie zerbrochen war, auf dem Anwesen der Geschwister Schneiders (heute Paul Schunk) eingeschmolzen und wieder neu gegossen wurde. Weil aber bei einem Umguß mit ca. 5% Schmelzverlust zu rechnen ist, wurde vorher im Ort Kupfer und Zinn gesammelt. Bei dieser Gelegenheit soll eine Frau aus unserem Ort eine ganze Schürze voll Kupfermünzen dazugegeben haben. Sie hatte das Gesicht verschleiert um anonym zu bleiben.

Im Jahre 1921 bekam die Glocke beim „Dengeln“ einen tiefen Riß und mußte erneut umgegossen werden. Dieser Umguß wurde 1922 durchgeführt und kostete, bedingt durch die große Inflation in dieser Zeit, 2.807.800 DM. Seit alters her ist sie die Totenglocke und kündet durch eine besondere Läuteart („Klempen“) vom Tod eines Gemeindemitgliedes. Die Glocke wiegt 2165 kg und hat die Tonhöhe „des“. Sie trägt die Aufschrift:

 

            + FUSA * SUM * ANNO * MCCCCXXIII*

            PROTEKTORE * DEO * ET * PATRONA * BEATA * MARGARETA *

            REFUSA * MCMXXII *

            ECCE = dni* FUGITE * PARTES * ADVERSE

 

            Gegossen im Jahr 1423

            Beschütze (uns) Gott und heilige Patronin Margareta

            Umgegossen 1922

            Sehet das Kreuz des Herrn (und) flieht auseinander ihr Mächte des Bösen

 

Die mittlere ist die Gemeindeglocke. Mit ihrem Ruf zum Angelusgebet morgens, mittags und abends markierte sie auch den Tagesablauf in einer Zeit ohne Uhren. Ferner rief sie noch bis in unsere Tage die Bürger zur Gemeindeversammlung. Sie wurde 1493 von Clais von Echternach gegossen, wiegt 1000 kg und hat die Tonhöhe „f“. Ihre Inschrift ist schwer lesbar, von Wackenroder wird sie wie folgt angegeben:

 

            GENOVEVA MAIGRETA HEISEN ICH.

            ICH LEUDT DO AE IE UE EH.

            DAIS UNRHUS HEISEEN HEAEN*

            CLAIS VAN ECHTERNACH GAUS MICH MCCCCXCIII

 

Ein Riß, der am Pfingstsonntag 1969 festgestellt wurde, konnte zum Glück ohne Umguß mit einem speziellen Autogen-Schweißverfahren repariert

werden.

 

Bei dieser Gelegenheit wurde auch die kleine Glocke mit abgehängt. Ihr Schlagring war dünn geworden, er konnte mit einem ähnlichen Verfahren wieder aufgefüllt werden.

In der Bevölkerung hieß sie die „Sturmglocke“, weil sie von alters her alarmierte bei Feuersbrunst, Naturkatastrophen und Kriegsgefahr. Sie wurde am 4.7.1360 gegossen, wiegt 650 kg und hat die Tonhöhe „as“. Sie trägt die Inschrift:

 

            * DUM * SONO* REX * CELI * DET * PACEM * CUIQUE * FIDELI * DATUM *

            ANNO * DOMINI * M * CCC * LX *

            In CRASTINO * BEATI * THOME * APOSTOLI.

 

            Solange ich ertöne soll der König des Himmels allen Glaubenden den Frieden     verleihen.

            Im Jahr des Herrn 1360

            Am Tag nach (dem Fest) des Hl. Apostels Thomas.

 

Die vierte und kleinste Glocke stammt aus der Zeit um 1200 und ist wohl mit das Älteste, was es in unserem Ort gibt. In den Jahren vor 1945 diente sie als Schulglocke. Alle vier Glocken waren im 1. Weltkrieg wegen ihres hohen Denkmalwertes vor der Abgabe geschützt.

Im 2. Weltkrieg wurden die Kriterien viel enger ausgelegt und alle Glocken waren gefährdet. Nur durch das Wohlwollen des Konservators der Rheinprovinz, dem überlegten Handeln der Bistumsverwaltung und dem klugen Taktieren von Pfarrer Reiter war es gelungen, die Abgabe immer wieder hinauszuzögern.

Die kleine Schulglocke, die in den letzten Kriegswochen doch noch als einzige unseren Ort verlassen mußte, wurde zum Glück aber dann doch nicht mehr eingeschmolzen. Sie konnte nach dem Krieg vom Sammelplatz in Hamburg wieder zurückgeholt werden. Seit dem versieht sie ihren Dienst als Wandlungsglocke bei der Hl. Messe im Alterraum unserer Pfarrkirche.

 

 

 

Petrus Mosellanus

 

Einer der Höhepunkte der 1100-jährigen Geschichte von Bruttig ist zweifellos die Geburt von Peter Schade, genannt Petrus Mosellanus, vor über 500 Jahren. Obgleich uns Menschen von heute von diesem Mann aus unserem Dorf ein halbes Jahrtausend trennt, so ist er es dennoch wert, nicht vergessen zu werden. Vielmehr kann eine nähere Betrachtung von Wesen und Werk des Peter Schade Anregung auch für unsere Zeit sein.

 

Im Jahr 1493, ein Jahr nach der Entdeckung der neuen Welt durch Columbus, wird in Bruttig an der Mosel Peter Schade als 14. Kind von Johannes und Catharina Schade geboren. Sein genauer Geburtstag ist nicht überliefert. Der Vater hatte einen kleinen Kramladen, war Bader und Winzer. Jedenfalls war die Familie Schade mit Sicherheit nicht reich. Als der Vater dann auch noch frühzeitig starb, nahm sich dessen in Beilstein lebender Bruder des jungen Peter an und schickte ihn nach Luxemburg auf die dortige Schule. Dieser Onkel, von dem sonst wenig bekannt ist, war nämlich der Meinung, daß er: „...mit eigenen Mitteln dazu beitragen [müsse], daß ein so trefflicher und in der Zukunft der Welt nützlicher Kopf gefördert werde.“

 

Leider war der Lehrer in Luxemburg ein trunksüchtiger Tyrann und Peter ging bei passender Gelegenheit nach Limburg, wo die Schule weit besser war. Allerdings konnte er sich dort nichts durch Nachhilfeunterricht dazuverdienen, daher wechselte er bald erneut die Lehranstalt und ging nach Trier. Dort konnte er sich nämlich als Chorknabe ein Zubrot verdienen. Man bedenke, daß er zu diesem Zeitpunkt keine 16 Jahre alt war, dennoch hatte er schon mehr von der Welt gesehen und gelernt als die meisten Erwachsenen seines Heimatdorfes zu dieser Zeit.

In Trier sieht er nach eigener Angabe zum ersten Mal Inschriften auf Griechisch, und er brennt darauf, die Bedeutung jener Buchstaben zu entziffern. Er muß also unbedingt Griechisch lernen. Daher geht er 1509, mit finanzieller Unterstützung seines Cochemer Großvaters Johann Schade, nach Köln, um sich bei der dortigen Universität zu immatrikulieren.

 

Endlich ist Peter Schade nun an der berühmten Universität und kann all das lernen, was ihn so brennend interessiert. Mit Eifer und Fleiß betreibt er seine Studien in Latein und Griechisch und erwirbt sich bald auch die Freundschaft vieler Professoren. Schon zu dieser Zeit macht er sich Gedanken, wie er seine eigenen, künftigen Schüler unterrichten soll und worin. Er nennt sich nun, dem Brauch der Gelehrten seiner Zeit folgend, Petrus Mosellanus („Peter von der Mosel“).

1511 erwirbt er sich den ersten akademischen Grad, er ist „Baccalaurus der freien Künste“. Diese umfassen die lateinische Grammatik (die Gelehrtensprache seiner Zeit), Rethorik, Logik, Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Er darf nun selbst Vorlesungen für Anfangssemester halten. Man beachte die Breite seiner Ausbildung! Welcher 18jährige von heute besitzt denn die Geistesgaben, sich ein solch umfassendes Wissen von Mathematik und Sprache, von Kunst und Naturwissenschaft anzueignen?

 

Nur zwei Jahre später wanderte Peter Schade mit dem Komilitonen Caspar Borner von Köln über Erfurt nach Leipzig. Sein Freund ging weiter nach Zwickau, er aber wandte sich nach Freiberg. Dort wurde Kunst, Kultur und Technik durch Sachsens Herzöge und Kurfürsten gefördert, und es bestand dringender Bedarf an fähigen Lehrern. 1514 übernimmt er das Lehramt an der Lateinschule von Freiberg und bald sind seine Vorlesungen gut besucht.

Er bringt seinen Schülern, zu denen auch ältere und hochangesehene Männer der Stadt gehören, die griechische Sprache mit neuen Methoden und Übungen bei, über die er sich schon zu seiner Kölner Zeit Gedanken gemacht hatte. Der Freiberger Chronist Dr. Andreas Möller schreibt 1653 über sein Wirken:

 

            „Dieser berühmte Jüngling, nachdem er von der Universität Cölln ins Meißner Land sich begeben, und zu Leipzig eine kurze Zeit aufgehalten, hat er am allerersten zu Freiberg Griechisch gelesen. Es haben sich damals alte gelehrte und hochansehnliche Personen, darunter etliche Doctores, Geistlichen und weltlichen Standes gewesen, nicht geschämet, die Griechische Sprache von ihm zu erlernen.“

 

Sein Erfolg in der Lehre erzeugte allerdings auch Neider, so daß sich das Klima immer mehr verschlechterte und er bereits 1515 Freiberg verläßt, um in Leipzig weiter zu studieren.

 

Schon zwei Jahre später wird er dort 1517, d.h. mit nur 23 Jahren (!), zum Professor für antike Sprachen berufen. Ein Jahr später bringt er seine gesammelten Lehrerfahrungen und neuen Unterrichtsmethoden in einem Buch heraus, der Paedologia. Eine spätere Auflage dieses Buches befindet sich heute im Besitz der Gemeinde Bruttig.

 

Da auch seine theologischen Vorlesungen über die Paulusbriefe und Schriften des heiligen Augustinus sehr gut besucht waren, erregte er den Neid der eigentlich für dieses Gebiet „zuständigen“ Predigermönche, die ihn von der Kanzel herab angriffen. Dies traf Peter Schade hart und er erwog, an die Universität Wittenberg zu wechseln. Bei einer Reise dorthin hatte er sogar eine Unterredung mit Martin Luther, der damals die Gemüter mit seinen Thesen erhitzte. Die Stelle in Wittenberg bekam jedoch ein Freund von Petrus Mosellanus, Philipp Melanchton (lateinisch für „Schwarzerd“), da dieser bereits in konkreten Verhandlungen mit der Universität um die Professur stand.

 

Um so freudiger wurde Mosellanus wieder von seinem Herzog in Leipzig empfangen, der ihn von nun an mehr förderte. Als Vertrauensbeweis ließ ihn der Herzog 1519 die Eröffungsrede zur Leipziger Disputation halten, die zwischen den Doktoren der Theologie Martin Luther und Karlstadt einerseits und Johannes Eck andererseits geführt werden sollte.

Es war die Aufgabe von Petrus Mosellanus, zwischen den beiden Streitparteien zu vermitteln, er sollte die Diskussion „moderieren“. Leider mißlang ihm dies gründlich, da beiden Seiten die versöhnliche und ausgeglichene Art von Peter Schade fehlten und die Fronten viel zu verhärtet waren. Ihm lag auch die Art und Weise eines zänkischen Streitgesprächs in Glaubensdingen ganz und gar nicht, wie er in einem Brief an einen Freund bekennt:

 

            „...Ich [kann] mich nicht überzeugen, daß der heilige Geist...sich jemals zu solchen Kämpfen herabläßt. Die Wahrheit der christlichen Theologie wird leichter durch Gebet erlangt, als durch Streit gefunden....“

 

Da er sich durch seine besonnene Art weder von Luther, noch von den katholischen Vertretern völlig vereinnahmen ließ, wurde er von beiden Seiten für seine Haltung kritisiert. Letztlich blieb er ein treuer Anhänger der katholischen Lehre, ohne jedoch die kämpferische Art der übrigen Gelehrten anzunehmen.

 

Bei einem Besuch seiner Heimat im Sommer 1519 suchte er auf Wunsch seines Kurfürsten auch Erzbischof Richard von Greifenklau in Trier auf. Diesem widmete er eine Übersetzung der griechischen Werke von Gregor von Nazianz. Außerdem berichtete er über den Verlauf der kürzlich beendeten Disputation, deren erfolgloser Moderator er gewesen war. Über Erfurt und Meißen gelangte er im Frühjahr 1520 wieder nach Leipzig, nachdem die Pest dort wieder verschwunden war.

In diesem Jahr wurde er nun auch Magister der Philosophie und Mitglied im großen Fürstenkollegium. 1521 wird er mit nur 28 Jahren zum Rektor der Universität Leipzig berufen. Das er 1523 erneut dieses Amt bekleidete, zeugt von der hohen Wertschätzung, die er sich erworben hatte.

 

Aber nur ein Jahr später, am 19.4.1524, stirbt Peter Schade mit 31 Jahren nach längerer Krankheit. Melanchton, den man später den „Praeceptor Germaniae“ (Lehrer Deutschlands) nannte, wollte ihn erstmalig besuchen als er auf einer Durchreise in Leipzig war und fand ihn im Sterben. Sein Tod kommt für seine Freunde und die Gelehrtenwelt völlig überraschend. Erasmus von Rotterdam, Julius von Pflug, Georg Agricola, Melanchton und viele andere sind tief getroffen über den Verlust ihres gelehrten Freundes. Später heißt es auf einer Bildunterschrift eines Gemäldes in der Leipziger Universität:

 

„Ein Jüngling, Zierde unseres Jahrhunderts, ein unvergeßlicher Schmuck dieser Universität“.

 

Diese Einschätzung wurde von den Gelehrten jener Zeit geteilt, wie aus ihren Briefen hervorgeht.

 

Der Humanismus versuchte an die Stelle der erstarrten Lehrformen (Scholastik) des Mittelalters eine auf den Menschen (lateinisch: humane) gerichtete Ausbildung und Vervollkommnung zu vermitteln, ohne jedoch vom christlichen Weltbild abzuweichen. Als ideales Vorbild galt die Blüte der griechisch-römischen Kunst und Wissenschaft.

Während man sich südlich der Alpen mehr mit der künstlerischen Seite der Antike beschäftigte (Dante, Petrarca, Boccaccio, Plethon, Papst Pius II., Valla, etc.), war das Bestreben der Humanisten nördlich der Alpen mehr auf gründliche Ausbildung ihrer selbst und ihrer Schüler gerichtet. So waren zum Beispiel Melanchton, Reuchlin, Erasmus von Rotterdam, Agricola usw. alles Professoren, die Bücher zur Ausbildung der Jugend veröffentlichten, welche lange Zeit als Standartwerke ihres Gebietes benutzt wurden.

 

Petrus Mosellanus war neben Nikolaus Cusanus (Nikolaus Krebs aus Bernkastel-Kues) und Johannes Trithemius (Johannes Heidenberg aus Trittenheim) einer jener drei Humanisten, die von der Mosel kamen und deren Ausbildungs- und Erziehungsmethoden auch heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben.

In Zeiten einer immer stärker werdenden Spezialisierung in allen Bereichen eines immer hektischeren Lebens, ist ein breit angelegtes Grundlagenwissen, verbunden mit einer Erziehung zu innerer Ruhe und künstlerischer Entfaltung, ein solides Fundament, auf das auch die heutige Jugend bauen kann. Gerade an der Schwelle zum 21. Jahrhundert brauchen wir Menschen von heute die Qualitäten jenes Mannes, der vor über 500 Jahren in unserem Ort geboren wurde. Denn sein Wahlspruch: „Docti discimus!“ („Erst selbst gelernt, dann andere gelehrt.“) ist auch heute noch so richtig wie damals.

 

Über Leben und Werk des Petrus Mosellanus sind bereits mehrere Schriften erschienen:

 

         „Petrus Mosellanus - ein vergessener Moselhumanist“

         Schober, R., Görres-Verlag Koblenz, 1979

        

         „Festschrift zur 500-Jahrfeier von Petrus Mosellanus“

         Gemeinde Bruttig-Fankel, 1993

 

                                                                  Gereon Ostermann

Weitere Informationen zu Petrus Mosellanus finden Sie auf der Homepage www.petrus-mosellanus.de

 

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